Die norwegische Regierung unter Führung des sozialdemokratischen Premiers Jens Stoltenberg hat unmittelbar vor dem Jahreswechsel in Oslo endgültig die Einführung einer speziellen Frauenquote beschlossen. Nach einem langen innenpolitischen Streit gilt seit dem 1. Januar 2006 eine gesetzliche Verpflichtung für börsennotierte Aktiengesellschaften, mindestens 40 Prozent Frauen in ihren Aufsichtsräten zu beteiligen. Firmen, die nach dem 1. Januar an der Börse notiert werden, müssen sofort vier von zehn Aufsichtsratsposten weiblich besetzen, um überhaupt ins Aktienregister eingetragen zu werden. Für bereits bestehende Firmen gibt es eine Übergangszeit von zwei Jahren. Im Sommer 2005 ist die Quote nur von 68 der 519 betroffenen Unternehmen Norwegens erreicht worden. Dabei betrug der Frauenanteil in den Aufsichtsräten 16 Prozent. Die allermeisten AG müssen also erst noch die Quote in ihren Kontrollgremien auf 40 Prozent erhöhen. Wird dies bis Ende 2007 nicht erfüllt, können die Behörden Zwangsgelder verhängen oder als letzte und schärfste Konsequenz sogar die Zwangsauflösung des Unternehmens verfügen.
Datenbank mit Expertinnen
Gerade über diese drastischen Folgen, falls die Quote nicht eingehalten wird, wurde lange diskutiert. Am Ende haben sich aber einige couragierte norwegische Politikerinnen durchgesetzt. Im Parlament des Landes, dem »Storting«, gibt es übrigens einen Frauenanteil von 38 Prozent. Bereits in den achtziger Jahren setzte die damalige Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland mit Hilfe einer parteiinternen Regelung durch, daß 40 Prozent Frauen in die Regierung kamen. Ähnliche Zahlen kamen in der Wirtschaft auf freiwilliger Basis bisher nicht zustande. Im Jahr 2003 verabschiedete die seinerzeitige konservative Mehrheit daher ein Gesetz zur Steigerung des Frauenanteils, jedoch ohne Zwangsmaßnahmen. Die börsennotierten Unternehmen schafften es seither jedoch nur, die Frauenquote in ihren Chefetagen von sieben auf 17 Prozent zu erhöhen.
Grete Faremo, ehemalige Justizministerin, vertritt deshalb die Meinung, es gebe nur einen Weg, um Gleichstellung durchzusetzen: die zwangsweise Quotierung. Faremo ist mittlerweile Topmanagerin bei Microsoft. Sie kritisierte: »Jahrzehntelang hat man in Festreden gehört, wie wichtig die Nutzung weiblicher Kompetenz ist, aber es ist nur wenig passiert«. Ihrer Ansicht nach ist es unsinnig, die Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder nur auf Männer, also auf 50 Prozent der Kandidaten, zu beschränken. Aus der Wirtschaft kam der Einwand, es sei schwierig, passende Anwärterinnen zu finden. Dies ließ Gleichstellungsministerin Karita Bekkemellem nicht gelten. Die Regierung stellt eine Datenbank mit den Namen von viertausend Expertinnen zur Verfügung. In staatlichen und halbstaatlichen Unternehmen ist es problemlos gelungen, Frauen für die Leitungsebene zu gewinnen. Beim norwegischen Ölkonzern Statoil und dem Telekomanbieter Telenor sitzen je vier Frauen im zehnköpfigen Vorstand.
»Female Future«
Der konservative Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen unterstützte daher die Gesetzesinitiative, glaubte aber, die Konzerne würden die Vorgabe aus eigenem Antrieb erfüllen, um das Wissen der ganzen Bevölkerung zu nutzen. »Frauen sind in den höheren Ausbildungen längst überrepräsentiert«, stellte Gabrielsen fest. »Auf diese Kenntnisse können die Firmen nicht verzichten.« Diese Argumentation zeigt zugleich die Doppelbödigkeit der norwegischen Initiative. Eigentlich müßte es völlig selbstverständlich sein, daß Frauen in den Firmenleitungen eine führende Rolle einnehmen. Eine Bereitschaft hierfür gibt es aber nur, wenn dies der eigenen Profitmaximierung dient. Hier zeigt sich ein ähnliches Denkmuster wie bei der Zuwanderungsdebatte in der BRD. War es doch die deutsche Wirtschaft, die für eine Öffnung der Grenzen eingetreten ist, aber nicht aus humanitären Gründen, sondern nur nach sogenannten Nützlichkeitskriterien. Willkommen sind nicht Menschen, sondern Arbeitskräfte, sofern sie im kapitalistischen Produktionsprozeß gut verwertbar sind. Ähnlich ist das Projekt »Female Future« zu bewerten, ein Vorhaben des norwegischen Industrieverbandes. Feministische Absichten stecken nicht dahinter, sondern der Vorsatz der Wirtschaft, Kenntnisse und Fähigkeiten von Frauen besser auszubeuten. Würde sich durch die Quote etwas an den sozialen Bedingungen für die Mehrheit der Frauen ändern, wäre sie ein echter Fortschritt. Aber es ist zu befürchten, daß die norwegischen Konzerne auch dann, wenn mehr Frauen in den Aufsichtsräten sitzen, die gleichen kapitalistischen Methoden anwenden wie bisher. Eine Quote bringt noch keinen Struktur- und Systemwechsel mit sich.
Außerdem sind mehrere Großkonzerne wegen aktienrechtlicher Besonderheiten von der Neuregelung von vornherein ausgenommen worden. Und die Drohungen mit Konsequenzen, falls die Frauenquote nicht erfüllt wird, scheinen nicht sonderlich ernst gemeint. Das Gesetz sieht nämlich auch vor, daß die Regierung eine Zwangsauflösung von Firmen, die sich nicht an die Quote halten, verhindern kann, wenn »wesentliche gesellschaftliche Belange« dies verlangen.
Aus: junge welt vom 06. Januar 2006