Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wurde diese Woche im Spiegel als Politiker charakterisiert, der seine Redebeiträge in einem sanften badischen Tonfall beginnt, mit vielen wolkigen Worten ein Thema umkreist, dann aber plötzlich knallharte Sätze formuliert. Schäuble bestätigte diese Einschätzung am Dienstag und Mittwoch beim Treffen der EU-Innenminister in Brüssel. Dort trat er als Wortführer für eine inhumane Abschottungspolitik gegenüber Migranten auf.
Nach dem Vorbild der Niederlande strebt Schäuble höhere Hürden für Zuwanderer an. »Im Prinzip« mache die niederländische Regierung das, »was wir auch in Deutschland verwirklichen wollen«, erklärte Schäuble bei dem Ratstreffen. Als Beispiel nannte er die Pflicht zu Sprachkursen im Herkunftsland. Dies sei notwendig für die »bessere Integration von Ausländern in Deutschland«. Dem soll auch die Forderung der CDU/CSU dienen, das Nachzugsalter für Eheleute von 18 auf 21 Jahre hinaufzusetzen. Schäuble sagte weiter, wer nicht akzeptieren könne, wie hier gelebt werde, müsse überlegen, »ob es sich in einem anderen Teil des Universums nicht besser leben lasse«.
Nach Plänen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft sollen Asylbewerber schon bald anhand ihrer Herkunft aussortiert werden. In Brüssel drang die österreichische Innenministerin Liese Prokop auf die Definierung sogenannter sicherer Herkunftsländer, eine entsprechende Liste will sie schon im April vorlegen. Schutzsuchende aus diesen Staaten könnten dann an den EU-Grenzen ohne Umschweife abgewiesen werden. Damit setzt sich auf der EU-Ebene das deutsche Abschottungskonzept vollständig durch. Bei früheren Treffen hatte sich der Rat nicht auf eine gemeinsame EU-Liste einigen können. Diesmal scheint es aber ernst zu werden, zumal die Minister wegen einer geänderten Rechtslage in solchen Fragen jetzt mit qualifizierter Mehrheit entscheiden können, Einstimmigkeit ist nicht mehr erforderlich. Nach Diplomatenangaben lag den Ministern ein Arbeitspapier mit zunächst zehn Ländern vor: Benin, Botswana, Chile, Costa Rica, Ghana, Kap Verde, Mali, Mauritius, Senegal und Uruguay.
Ob ein individueller Anspruch auf Asyl vorliegt, soll nach Vorliegen der Liste gar nicht mehr geprüft werden. Mitgliedsländer der EU werden generell zu »sicheren Herkunftsstaaten« erklärt. Angesichts der aktuellen Debatten um Folter im »Kampf gegen den Terrorismus« erscheint dies mehr als fragwürdig. Erst recht gilt dies für viele Länder außerhalb der EU. Hier besteht die Gefahr, daß nach politischer Großwetterlage entschieden wird, welches Land als sicher gilt und welches nicht. Dies zeigt die bereits nach deutschem Recht bestehende Liste »sicherer Herkunftsländer«. In diese wurden z. B. alle EU-Beitrittskandidaten aufgenommen. Dabei ist allgemein bekannt, daß zum Beispiel in Rumänien Roma und Sinti regelmäßig Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden. Eine Maßnahme von vielen, mit denen Europa sich vor Flüchtlingen schützt, anstatt die Flüchtlinge zu schützen.
Aus: junge welt vom 23. Februar 2006