Nach einem Bericht der New York Times (NYT) vom Montag war die BRD noch stärker in den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg verwickelt, als bisher bekannt. Demnach sollen die beiden in Bagdad eingesetzten Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) eine Kopie des Verteidigungsplanes von Saddam Hussein beschafft haben. Das geheime Papier soll der BND etwa einen Monat vor Kriegsbeginn an den US-Militärgeheimdienst in Katar weitergegeben haben. Sowohl Bundesregierung als auch BND dementierten den Bericht.
Die NYT beruft sich auf eine US-Militärstudie. Demnach habe Saddam im Dezember 2002 die Verteidigungsstrategie des Irak geändert. Der neue Plan habe vorgesehen, mehrere Abwehrringe um Bagdad zu legen. Die Studie enthalte hierzu eine Zeichnung, welche »die Deutschen von einem ihrer Informanten in Bagdad« erhalten haben sollen.
Der Plan wurde laut NYT von führenden irakischen Militärs unter Mitwirkung eines Sohnes von Saddam Hussein erarbeitet. Darin sei eine rote Linie eingezeichnet, die bei einer Invasion der USA auf jeden Fall und »bis zum Ende« gehalten werden sollte.
Die Studie faßt dem Bericht zufolge zusammen: »Während Deutschland lautstark gegen den Krieg protestierte, hat es die militärischen Anstrengungen der Vereinigten Staaten nicht behindert und sogar eine begrenzte Kooperation angeboten.« Das geschah bekanntlich in Form von Kriegsschiffen am Horn von Afrika, Bundeswehrbewachung von US-Kasernen, ABC-Panzern in Kuwait usw.
Der Bericht stürzte die Bundesregierung gestern in Erklärungsnöte. Die Opposition forderte eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr). Dort hatte die Regierung bisher immer behauptet, die BRD sei nicht am Irak-Krieg beteiligt gewesen. Diese Darstellung wiederholte sie am letzten Donnerstag in einem»Schlußbericht«. Dazu gaben die der CDU/CSU und SPD angehörenden Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) die Bewertung ab, es sei alles in Ordnung.
Die Linksfraktion hatte dagegen sofort nach Vorlage des Regierungsberichts einen Untersuchungsausschuß gefordert. Dem schlossen sich die Grünen zwar an, sie wollen sich aber bei der weiteren Erörterung auf die Tätigkeit der BND-Mitarbeiter beschränken. Die Verantwortung der damaligen SPD/Grünen Bundesregierung für den Irak-Einsatz des BND soll ausgeklammert werden. Das wiederum wollen die anderen Oppositionsfraktionen – Die Linke und FDP – nicht akzeptieren.
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Oskar Lafontaine, sah in dem Bericht der NYT einen weiteren Beleg dafür, daß die Bundesregierung dem Parlament und der Öffentlichkeit wichtige Informationen vorenthalte. Lafontaine forderte: »Die Bundesregierung muß endlich umgehend und umfassend über die Aktivitäten des BND im Irak aufklären. Das Pokern ist vorbei. Die Karten gehören auf den Tisch.«
Die FDP hatte noch im Januar gemeinsam mit der Fraktion Die Linke einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses formuliert, der aber die nötige Mehrheit nicht erreicht hätte, weil die Grünen mit Rücksicht auf Exaußenminister Joseph Fischer nicht mitmachen wollten. Der FDP-Fraktionsvorstand wird sich nun am Donnerstag mit dem Thema befassen.
Aus: junge welt vom 28 Februar 2006