Am 10. Juni 1944 verwüsteten SS-Truppen als „Rache“ für einen Partisanenangriff
das griechische Dorf Distomo und töteten rund 300 Einwohner. Vier Überlebende,
damals noch Kinder, verklagten die Bundesrepublik Deutschland auf Entschädigung.
Die Klage wurde im Jahr 2003 vom Bundesgerichtshof abgewiesen, das
Bundesverfassungsgericht bestätigte nun diese Entscheidung. Dabei hat es sich
einer problematischen Begründung bedient: So befinden die Verfassungsricher, das
Massaker der SS sei „kein spezifisch nationalsozialistisches Unrecht“, sondern ein
„dem Kriegsvölkerrecht unterliegender Sachverhalt“.
Die Auslöschung eines ganzen Dorfes, die unterschiedslose Ermordung von Frauen,
Kindern und Alten wird vom Bundesverfassungsgericht zu „einem allgemeinen, wenn
auch harten und mit Verstößen gegen das Völkerrecht einhergehenden
Kriegsschicksal“ umgedeutet.
Das Gericht verkennt dabei: Was die SS getrieben hat, ging nicht mit dem einen oder
anderen Rechtsbruch einher, sondern war ein einziges, gigantisches
Kriegsverbrechen!
Die Frage, ob Opfer verbrecherischer staatlicher Handlungen einen individuellen
Entschädigungsanspruch haben, machte sich das Gericht allzu einfach: Die
Rechtslage des Jahres 1944 habe solche Ansprüche nicht vorgesehen, also
existierten sie auch heute nicht. Das grenzt stark an den Grundsatz „Was damals
Recht war, kann heute nicht Unrecht sein.“
Dieses Urteil signalisiert den Überlebenden: Seid froh, dass Euch die SS übersehen
hat und gebt endlich Ruhe. Mit einer ehrlichen Aufarbeitung der eigenen Geschichte
hat das nichts zu tun.
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