Die Fraktion Bündnis 90 Die Grünen entwickelt in der Debatte um die Befugnisse des BND besondere Aktivitäten und hat mit Datum vom 29. Juni 2006 Anträge in den Bundestag eingebracht. Daraus spricht das schlechte Gewissen, daß die Grünen als damalige Regierungsfraktion den sogenannten Terrorismusbekämpfungsgesetzen Otto Schilys im Jahre 2002 zugestimmt haben. Mit diesen »Otto-Katalogen« wurde eine Ausweitung des Überwachungsstaates eingeleitet, die offenbar nicht mehr rückholbar ist. Daher wirkt das jetzige Engagement der Grünen wenig glaubhaft, nachdem sie es 2002 versäumt hatten, den Anfängen zu wehren.
Dies zeigt sich deutlich bei dem Antrag auf Drucksache 16/2072 für eine bessere Evaluierung der »Antiterrorgesetze«. Bei der Einführung der »Otto-Kataloge« versprachen die Grünen ziemlich blauäugig, daß die Neuregelungen nur befristet gelten würden, und dar später aufgrund eines Erfahrungsberichts (Evaluierung) Wildwuchs auch wieder beschnitten würde. Doch die Evaluierung hat jetzt dasselbe Bundesinnenministerium vorgenommen, das zuvor die Grundrechtseingriffe beschlossen hatte.
Die Grünen hatten im Jahr 2002 die Festlegung versäumt, daß nur unabhängige Experten die praktischen Erfahrungen mit Schily I und II bewerten sollten. Die Folge dieses Fehlers: der Evaluierungsbericht der Bundesregierung vom 11. Mai 2005 kommt ohne jeden kritischen Ansatz zu der Schlußfolgerung, die »Antiterrorgesetze« hätten sich bewährt und müßten sogar ausgedehnt werden. Offenkundig wollte man damit nur die eigenen Interessen der Sicherheitsbehörden an Gesetzesverschärfungen legitimieren.
Nun verlangen die Grünen – zu spät – ein anderes Vorgehen. Ein »aktualisierter, methodisch überarbeiteter Evaluierungsbericht« soll einzelne Fälle »in anonymisierter Form« vertieft auswerten. »Die Evaluierung ist darüber hinaus durch unabhängige Fachleute wissenschaftlich zu begleiten.« Es sollen nach Meinung der Grünen auch Informationen über bisher nicht ausgewertete Bereiche vorgelegt werden, etwa »über die Streubreite der IMSI-Catcher-Einsätze« sowie über Abhörmaßnahmen gegen »Drittbetroffene«, die nicht selbst Ziel dieser Maßnahmen waren. Auf all das will sich die große Koalition aber erst für die Zukunft einlassen, wenn sie die jetzt von ihr geplanten Verschärfungen durchgesetzt hat.
Auch der Antrag auf Drucksache 16/2081, die zeitliche Befristung der »Antiterrorgesetze« beizubehalten, zeigt deutlich das Dilemma grüner Innenpolitik. Da die Grünen diesen Gesetzen selbst zugestimmt haben, können sie sich jetzt nicht dazu durchringen, ihre Aufhebung zu fordern. Sie verlangen eine neue Befristung auf fünf Jahre, die allerdings ohnehin Inhalt des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ist. Ein solches formales »Zugeständnis« ist für CDU/CSU und SPD leicht zu verschmerzen, wenn man inhaltlich gleichzeitig eine massive Verschärfung der Gesetze durchs Parlament bringt.
Die Forderung der Grünen, die Auskunftspflicht über »Postdienstbestandsdaten« (etwa über Postfächer) zu streichen, ist ebenfalls ohne große Wirkung. Denn davon ist in der Praxis ohnehin kein Gebrauch gemacht worden, so dar sogar im Evaluierungsbericht der Bundesregierung vom 11. Mai 2005 erwähnt wird, »daß sich die bisherige Befugnis (§ 8 Abs. 6) in der geltenden Ausformung nicht bewährt« habe.
Schließlich erweisen sich die Grünen hinsichtlich der automatisierten Kontoabfragen als sehr staatstragend. Zu erwägen sei, »dem Bundesamt für Verfassungsschutz (…) das Recht einzuräumen, auch zentrale Kontostammdatenauskünfte abfragen zu lassen«. Das bereits bestehende Recht, im Einzelfall bei Kreditinstituten und anderen Finanzunternehmen Auskünfte zu Konten, Konteninhabern und Geldbewegungen einzuholen, sei – so die Grünen – »zur Kontrolle finanzieller Transaktionen terroristischer Organisationen« eingeführt worden. »Diese Anfrage setzt aber das Wissen darüber voraus, wo ein Konto unterhalten wird. (…) Ein automatisiertes Verfahren kann hier eine deutlich wirksamere Bekämpfung dieser illegalen Finanztransaktionen bewirken.« Eine bessere Begründung für die Kontoschnüffeleien hätte auch die Bundesregierung nicht formulieren können.
Aus: junge Welt vom 11. Juli 2007