Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Wolfgang Bosbach, wollen die Mautdaten zur Strafverfolgung verwenden. Das allerdings ist von der gegenwärtigen Rechtslage her gesehen illegal – mit ihrer Forderung mißachten die Innenpolitiker der Unionsparteien den Grundsatz der Zweckbindung im Datenschutzrecht.
Beckstein und Bosbach argumentieren in einer Presseerklärung vom Dienstag abend damit, es gebe immer wieder Fälle, bei denen Verdächtigen mit Hilfe von gespeicherten LKW-Mautdaten nachgewiesen werden könnte, wo sie sich zur Tatzeit befunden hätten. »Obwohl beispielsweise die Daten des mutmaßlichen Mörders einer 18jährigen Schülerin aus Kassel vor wenigen Wochen und einer weiteren Frau aus Köln im Mautsystem erfaßt worden sind, konnte die Kölner Polizei nicht auf die Daten zugreifen«, schreiben Beckstein und Bosbach. Im Herbst letzten Jahres sei z. B. ein Parkwächter von einem LKW-Fahrer überfahren worden; der Täter sei unerkannt auf der Autobahn entkommen. »Es ist nicht hinnehmbar, daß in Fällen wie diesen den Ermittlungsbehörden durch das Totalverbot der Nutzung von Mautdaten zur Verbrechensbekämpfung ein vielversprechender Ermittlungsansatz von vornherein und ohne Ausnahmen aus der Hand geschlagen ist«, meinen die CDU/CSU-Politiker.
Das klingt zunächst plausibel. Aber das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber eine klare Linie vorgegeben: Daten dürfen prinzipiell nur für den Zweck verwendet werden, für den sie erhoben worden sind. Als das umstrittene Toll-Collect-System für die LKW-Maut auf Autobahnen eingeführt worden ist, haben der Bundestag und der Bundesrat in seltener Einmütigkeit – also mit den Stimmen der CDU und CSU! – festgelegt, daß die dabei computermäßig erfaßten Daten ausschließlich für die Abrechnung der Mautgebühren genutzt werden dürfen. Gegen diesen von ihnen selbst beschlossenen Grundsatz wenden sich nun Beckstein und Bosbach.
Das Ziel ihres Vorstoßes ist klar. Mit den Mautdaten lassen sich Bewegungsbilder der LKW-Fahrer erstellen. Man weiß dann, wann ein LKW wo in die Autobahn eingefahren und wo er sie wieder verlassen hat. Diese Art von Überwachung, nämlich Bewegungsbilder von zunächst unverdächtigen Personen zu speichern, ist ein alter Wunsch konservativer Innenpolitiker. Wenn man den Gedanken weiterführt, könnte als nächstes die Anforderung an die Deutsche Bahn kommen, alle Fahrkartenkäufe mit den Personaldaten des Fahrgastes zu speichern, um sie gegebenenfalls für polizeiliche Ermittlungen zur Verfügung zu stellen. Ebenso könnte theoretisch angeordnet werden, daß alle PKW-Fahrer ein Fahrtenbuch führen müssen, damit die Polizei stets kontrollieren kann, wann sie sich wo befunden haben. Die Privatsphäre wäre damit erheblich eingeschränkt. Genau das ist es, was die Verfechter des Überwachungsstaates wollen und wovon sie träumen.
Daher erscheint nun der Vorstoß von Innenminister Beckstein aus der vergangenen Woche, eine Autobahnmaut auch für PKW einzuführen in einem ganz anderen Licht. Der CSU-Politiker begründete seinen Vorschlag mit zusätzlichen Einnahmen für den Straßenbau. Man sieht aber jetzt, daß damit zugleich ein gigantisches Überwachungssystem für private PKW-Fahrten aufgebaut würde, auf dessen Daten Beckstein gerne zurückgreifen würde.
Natürlich ist davon bei CDU und CSU im Moment noch keine Rede. Auch versichert Beckstein, daß es bei seinem Vorschlag einer Nutzung der LKW-Daten nicht um Bagatelldelikte gehe. Aber alle Erfahrungen der Vergangenheit lehren, daß die Überwachungsfanatiker erst einmal mit logisch klingenden Begründungen einen Fuß in die Tür bekommen wollen. Später werden dann die Überwachungsmaßnahmen Schritt für Schritt ausgedehnt. Deshalb gilt es, schon jetzt den Anfängen zu wehren. Gefahr ist im Verzug, denn auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich bei der Herbstkonferenz der Innenminister im vergangenen Jahr bereits dafür ausgesprochen, die enge Zweckbindung des Autobahn-Mautgesetzes zu lockern.