Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung, nämlich 68 Prozent, befürworten laut einer im Spiegel dieser Woche veröffentlichten Umfrage ein dauerhaftes Bleiberecht für Ausländer, die aus Rechtsgründen nicht abgeschoben werden können. Somit gibt es eine beachtlich große Unterstützung für die Ankündigung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der sich angeblich um ein solches Bleiberecht bemühen will, wie er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung am 22. Juli 2006 behauptet hat.
Mit solchen Versprechungen werden bei den Betroffenen verständliche Hoffnungen geweckt. Es ist aber Vorsicht geboten, was am Ende dabei wirklich herauskommt. Im »Kleingedruckten«, also in den Details solcher Regelungen, verbergen sich oft Fallstricke. Beispielsweise hat der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) im Hinblick auf eine eventuelle Bleiberechtsregelung einen Abschiebungsstopp für langjährig geduldete Flüchtlingsfamilien verfügt. Diese Regelung enthält aber folgenden Ausschlußgrund: Sie gilt nicht für diejenigen Personen, bei denen »aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit aus vom Ausländer zu vertretenden Gründen« nicht vollzogen werden konnten. Das heißt: Der jetzige Abschiebestopp gilt nicht für Personen, deren Paß abgelaufen ist oder die ihn gar verloren haben.
Der Berliner Flüchtlingsrat befürchtet daher, daß dieser Ausschlußgrund viele Geduldete betreffen könnte. Diese Sorge ergebe sich daraus, daß die Vorschrift an ein »irgendwann in der Vergangenheit liegendes Verhalten« anknüpfe. Ausländerbehörden unterstellten erfahrungsgemäß immer dann ein Verschulden des Betroffenen, wenn kein aktuell gültiger Paß vorliege. Dies komme aber bei fast jedem geduldeten Ausländer einmal vor.
Der Flüchtlingsrat kritisiert ferner, daß die Beweislast für »Nichtverschulden« dem Ausländer aufgebürdet wird. Somit bestehe die Gefahr, daß der Abschiebestopp in der Praxis ebenso wirkungslos sei wie die von der früheren SPD/Grünen-Bundesregierung propagierte Abschaffung der Kettenduldung. Mit dem seit 1. Januar 2005 geltenden Zuwanderungsgesetz sollte eigentlich der für Flüchtlinge unzumutbare Zustand abgeschafft werden, daß kein dauerhafter Aufenthaltsstatus, sondern nur eine kurze Verlängerung von Duldungen gewährt wird. Diese Regelung (§ 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes) hat sich aber als ungeeignet erwiesen, Kettenduldungen gibt es nach wie vor.
Es ist also Skepsis geboten, was eine »Bleiberechtsregelung« unter solchen Voraussetzungen wirklich bringen kann. Der Berliner Flüchtlingsrat meint, wohl kaum ein »Geduldeter« könne davon profitieren, wenn dieselben Voraussetzungen gelten wie beim aktuellen Berliner Abschiebestopp.
Deshalb bleibt die Forderung nach einer wirklich großzügigen Bleiberechtsregelung für alle 200000 geduldeten Flüchtlinge weiterhin auf der Tagesordnung. Mit restriktiven Regelungen, die nur der Propaganda der Innenminister dienen, ist den Flüchtlingen nicht gedient. Der Berliner Flüchtlingsrat hält unvermindert an der Kampagne »Hier geblieben– Recht auf Bleiberecht!« fest.
erschienen in: junge Welt vom 02. August 2006