Nun drücken die Regierungsparteien aufs Tempo. Eilends wurde für den 4. September eine außerordentliche Konferenz der Innenminister einberufen. Noch im selben Monat soll die Datei im Bundestag durchgepeitscht werden. Davon will sich die Große Koalition auch nicht durch eine Sondersitzung des Bundestagsinnenausschusses abhalten lassen, die die FDP beantragt hat.
Inhalte unklar
Welchen Inhalt die »Antiterrordatei« haben wird, ist aber immer noch unklar. Eine Reihe von Kriterien nennt der vorliegende Gesetzentwurf: Beispielsweise die Namen von Verdächtigen und deren persönliche Daten, ebenso die »Volkszugehörigkeit«, frühere Anschriften, Sprachkenntnisse und Dialekte. Außerdem ist vorgesehen, Internetadressen, Telefonanschlüsse, Kraftfahrzeuge, Bankverbindungen und »besondere Fähigkeiten« wie Kenntnisse im Umgang mit Sprengstoffen zu speichern. Ins Visier werden aber auch Dritte genommen: Vereinigungen, Unternehmen und Personen, die mit den Verdächtigen »in Verbindung stehen«.
In der aktuellen Diskussion stellt dies eine Art Minimalkonsens innerhalb der Regierungsparteien dar. Vor allem Unionspolitiker wollen in der Datei erheblich mehr Daten sammeln. Die Rede ist immer wieder von »freihändigen Einträgen«, mit denen außerhalb des normalen Kriterienkataloges Informationen über die Verdächtigen angegeben werden können. Im Zusammenhang damit steht die noch nicht abgeschlossene Diskussion darum, ob es sich um eine Volltext- oder um eine Indexdatei handeln soll. Eine Volltextdatei enthielte sämtliche Einträge, die von den verschiedenen Sicherheitsbehörden über einen Verdächtigen gesammelt wurden. Bei einer Indexdatei würde dagegen nur angezeigt, ob über einen Verdächtigen bzw. einen Telefonanschluß oder ein Fahrzeug bei anderen Behörden Erkenntnisse vorliegen. Die Einsicht in diese müßte dann extra beantragt werden.
Munterer Austausch
Begründet wird die angebliche Notwendigkeit einer umfassenden Datei damit, daß es in der BRD mindestens 37 verschiedene Sicherheitsbehörden gebe, die oft nichts voneinander wüßten: Bundeskriminalamt, Zollfahndung, Länderpolizeien, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst, Bundesamt für Verfassungsschutz, Landesämter für Verfassungsschutz (wobei im Referentenentwurf für die »Antiterrordatei« ausgerechnet die Bundespolizei aus Versehen vergessen worden ist). Tatsächlich haben sich die Inlandsgeheimdienste während des gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens unsterblich blamiert, als klar wurde, daß verschiedene Verfassungsschutzämter ihre Informanten in NPD-Gremien plaziert hatten, ohne sich über die gegenseitigen Aktivitäten auszutauschen, so daß in manchen NPD-Kreisvorständen mehr Schlapphüte als Neonazis saßen. Der Frust hierüber sitzt tief. Man will sich bei der »Terrorismusabwehr« nicht noch einmal so dilettantisch anstellen.
Unabhängig von der zu erwartenden Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht bleibt es ein Faktum, daß auch ohne Gesetz Polizei und Geheimdienste sich munter austauschen. Die Drähte laufen im GTAZ zusammen, dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin-Treptow. Auch im Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASiM), direkt neben dem GTAZ, hockt eine Vielzahl von Behörden mit den Geheimdiensten zusammen. Und in Paris wurde eine internationale Zusammenarbeit der Geheimdienste eingerichtet, ganz außerhalb jeder parlamentarischer oder gerichtlicher Kontrolle.
Der Artikel ist erschienen in der „jungen Welt“ vom 30. August 2006