Der vom stellvertretenden Kulturstaatsminister Hermann Schäfer ausgelöste Skandal in Weimar ist symptomatisch für die Geschichtspolitik der Regierung: Während die Entschädigung für Opfer deutscher Verbrechen während des Faschismus als nahezu abgeschlossen betrachtet wird und vergessene Opfergruppen mit ihren Ansprüchen kaum noch Gehör finden, dringt die Inszenierung der deutschen Opferrolle immer stärker in den Vordergrund. Zwei von der Bundesregierung hofierte Ausstellungen zum Thema Vertreibung und die Anordnung zur öffentlichen Beflaggung – selbst des Holocaustmahnmals – zum „Tag der Heimat“ sind aktuell sichtbare Zeichen dieser Tendenz.
Dass ein stellvertretender Kulturstaatsminister vor Überlebenden des KZ Buchenwald vor allem über deutsche Vertreibungsopfer redet, ist fatal, aber folgerichtig. Schäfers Berufung zum stellvertretenden Kulturstaatsminister wurde im Kreis der Vertriebenen allseits begrüßt – jetzt weiß man warum. Ob aber jemand, der vor Überlebenden des deutschen Faschismus nur über deutsche Opfer spricht, am richtigen Platz ist, muss bezweifelt werden.
Wer unkritisch die Geschichtssicht der Vertriebenenverbände übernimmt, wie es die Regierung offensichtlich tut, der leistet der Zementierung eines falschen Geschichtsbildes Vorschub. Nicht nur der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Volkhard Knigge, fragt sich, ob die Rede Ausdruck einer neuen Geschichtspolitik der Bundesregierung ist.
Ich fordere die Bundesregierung auf, ihre geschichtspolitischen Energien nicht auf die Inszenierung einer deutschen Opferrolle, sondern auf die vergessenen und noch nicht entschädigten Opfer deutscher Gewaltpolitik zu konzentrieren. In Italien, Griechenland, Slowenien und zahlreichen anderen Ländern warten Menschen bis heute auf Entschädigung.