Vom heutigen Mittwoch abend bis Freitag mittag kommen in Nürnberg die Innenminister der Länder und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu ihrer Herbstkonferenz zusammen. Im Mittelpunkt der Beratung steht das seit langem von Flüchtlingsverbänden, Kirchen, Linkspartei und Grünen geforderte Bleiberecht für Menschen, die schon längere Zeit in der BRD leben.
Union und SPD verständigten sich am Dienstag auf grundsätzliche Eckpunkte einer entsprechenden Regelung. An dem Spitzengespräch nahmen Arbeitsminister und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD), Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sowie die Innenpolitiker Wolfgang Bosbach (CDU) und Fritz Rudolf Körper (SPD) teil. Es werde eine Stichtagsregelung getroffen, wonach Familien mit Kindern seit mindestens sechs Jahren und Alleinstehende seit mindestens acht Jahren in Deutschland leben müssen, um in den Genuß einer auf zwei Jahre begrenzten Aufenthaltsgenehmigung zu kommen, erklärte Bosbach nach der Sitzung. In dieser Zeit sollen sie freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Haben Sie Erfolg bei der Arbeitssuche, sollen sie weitere zwei Jahre bleiben dürfen. Grundsätzlich gelte, daß Sicherheitsinteressen Deutschlands Vorrang vor den Bleiberechtsinteressen der Betroffenen hätten, so Bosbach.
Daß man von der Innenministerkonferenz (IMK) nur eine Minimallösung erwarten kann, zeigt sich schon an der Tagesordnung. Dort heißt es unter Punkt 6: »Bleiberecht für im Bundesgebiet wirtschaftlich und sozial integrierte ausreisepflichtige ausländische Staatsangehörige«. Wirtschaftlich integriert kann nur sein, wer Arbeit hat. Dem Koalitionskompromiß zufolge soll aber die Auflage gelten, daß alle angebotenen Jobs anzunehmen sind. Doch Niedriglohnjobs dürften kaum zur wirtschaftlichen Integration der Betroffenen führen. Insgesamt ist damit zu rechnen, daß die IMK die Mehrheit der Betroffenen weiterhin ausgrenzen und ihre sofortige Abschiebung anordnen wird. Darauf deutet auch die Tatsache hin, daß sich ausgerechnet Günther Beckstein (CSU) optimistisch zu den Ergebnissen der IMK äußerte und sogar Eile anmahnte. Noch 2005 hatte Beckstein bei den Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz jegliche Bleiberechtsregelung abgelehnt. »Dieses Thema erneut zu verschieben, wäre sehr schädlich«, sagte Bayerns Innenminister jetzt der Hannoverschen Allgemeinen und fügte hinzu: »Mit mir wird es keine tausendfache Zuwanderung in die Sozialsysteme geben«.
In Nürnberg streben die Innenminister auch »bundesweite Einbürgerungsstandards« an. Baden-Württemberg war mit einem »Gesprächsleitfaden« vorgeprescht, der wegen Fragen zu intimen Lebensbereichen und zu politischen Einstellungen weithin als Gesinnungsschnüffelei kritisiert wurde.
Schließlich stehen »Bekämpfung des internationalen Terrorismus«, Rasterfahndung, Luftsicherheitsrecht, Videoüberwachung, DNA-Analyse, Telefonüberwachung und die »deutsche Unterstützung für den Wiederaufbau der Polizei in Afghanistan« auf der IMK-Tagesordnung. Der Bundesinnenminister wird zudem sein Konzept für die EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 vorstellen. Im Bundestag hatte Schäuble bereits vergangene Woche angedeutet, daß ihm dabei vor allem die noch effizientere Abschottung der EU-Außengrenzen am Herzen liegt.
Rund 50 Flüchtlingsräte, Frauen- und Menschenrechtsorganisationen sowie antirassistische Gruppen haben für den morgigen Donnerstag zu einer Demonstration für ein humanes Bleiberecht, gegen soziale Ausgrenzung und Repression in Nürnberg aufgerufen. Parallel zur IMK veranstaltet die Gruppe »Jugendliche ohne Grenzen« eine Gegenkonferenz zum Bleiberecht. Dort werden am heutigen Mittwoch die »Abschiebeminister des Jahres« mit dem Publikumspreis »Der goldene Koffer« und dem Jurypreis »Das goldene Flugzeug« geehrt.
zuerst erschienen in: junge Welt vom 15.11.2006
* Kundgebung für Bleiberecht in Nürnberg am 16.11. um 16.30 Uhr an der Lorenzkirche; 17.30 Uhr Demo zum Tagungsort der Innenminister.
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