Am Wochenende mußte Berlin eine Provokation der besonderen Art hinnehmen: den Bundesparteitag der NPD. Zwar hatte sich der Bezirk Reinickendorf geweigert, der NPD das kommunale Veranstaltungszentrum Fontane-Haus für den Parteitag zu überlassen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschied jedoch am Freitag abend, jede Partei habe Anspruch auf einen Versammlungsort.
So blieb es engagierten Berlinerinnen und Berlinern vorbehalten, durch eine Demonstration im Märkischen Viertel ihren Protest dagegen auszudrücken, daß die Neonazis sich erdreisten, Berlin quasi als »Reichshauptstadt« in Beschlag zu nehmen. Zu der Demo hatten alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus aufgerufen. Das Engagement der Parteien, sich auch wirklich daran zu beteiligen, ließ aber zu wünschen übrig. Etwa 400 Menschen versammelten sich am Samstag nachmittag vor dem Tagungsort. Bei der friedlichen Gegenkundgebung protestierten die Teilnehmer mit »Nazis-raus«- Sprechchören und gellenden Pfiffen. Auf den Plakaten war unter anderem zu lesen »Verbot aller faschistischen Organisationen sofort« und »Deutsche wehrt Euch, macht Euch frei von der Nazi-Tyrannei«.
Auf der Protestveranstaltung nannte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linkspartei.PDS) den NPD-Parteitag »unerträglich« und stellte mit Blick auf die Wahlerfolge der NPD in vier Berliner Bezirksparlamenten fest, daß »die neofaschistischen Einschläge« immer näher kämen. Toleranz höre da auf, wo Menschenfeindlichkeit und Rassismus gepredigt werden. Berlins Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) und der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Friedbert Pflüger, sprachen sich für eine Neuauflage des NPD-Verbotsverfahrens aus. Dieser Auffassung sind auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Berlins Innensenator Ehrhart Körting (beide SPD). Unterstützung hierfür kam von der evangelischen Landesbischöfin Margot Käßmann (Hannover). Rechtes Gedankengut dürfe nicht auch noch »unter dem Deckmantel einer offiziellen wählbaren Partei« verbreitet werden, sagte Käßmann der Neuen Osnabrücker Zeitung vom Samstag. Dagegen äußerte sich der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, skeptisch: »Man kann sich nicht vorstellen, wir ziehen jetzt alle V-Leute aus der NPD ab und morgen können wir das Verbotsverfahren weiter betreiben.«
Eher als ein mögliches Verbotsverfahren könnte nun womöglich ein hausgemachter Finanzskandal der NPD das Genick brechen. Wie der Spiegel vorab meldete, sollen Rechenschaftsberichte der Partei für die Jahre 1998 und 1999 von der Bundestagsverwaltung wegen falsch verbuchter Parteispenden als »wesentlich unrichtig« eingestuft worden sein. Voraussichtlich werde die Partei öffentliche Zuschüsse für diese beiden Jahre in Höhe von insgesamt 870.000 Euro zurückzahlen müssen. Nach Feststellungen der zuständigen Staatsanwaltschaften hat der NPD-Landesverband Thüringen seit 1996 über mehrere Jahre hinweg im großen Stil falsche Spendenbescheinigungen ausgestellt, die in den Rechenschaftsberichten entsprechend verbucht wurden. Der Kieler Innenminister Ralf Stegner (SPD) will deshalb auf der Innenministerkonferenz am Donnerstag in Nürnberg eine gründliche Prüfung des NPD-Finanzsystems vorschlagen. Das Thema soll allerdings vertraulich behandelt werden.
Als Parteivorsitzender der NPD wurde Udo Voigt mit 221 von 232 Stimmen wiedergewählt. Am Sonntag sprach auch noch der DVU-Vorsitzende Gerhard Frey. Es ist damit zu rechnen, daß aus den Reihen der Republikaner und der DVU viele Mitglieder zur NPD überlaufen, die damit weiterhin ein Sammelbecken der extremen Rechten bleibt.
zuerst erschienen in: junge Welt vom 13.11.2006