Es könne nicht ohne Konsequenzen bleiben, erklärten sie, wenn sich herausstelle, daß die Vorwürfe gegen Steinmeier zutreffen.
Bisher war öffentlich bekannt, daß im Oktober 2002 das damals von Steinmeier geleitete Kanzleramt ein Angebot der USA abgelehnt hatte, den in Guantánamo unschuldig gefangengehaltenen und gefolterten Deutsch-Türken Kurnaz freizulassen. In den letzten Tagen kam der Vorwurf hinzu, daß darüber hinaus die SPD/Grünen-Bundesregierung sogar jahrelang die Wiedereinreise von Kurnaz blockiert habe. Im Zentrum der Kritik steht Steinmeier, der als jetziger Außenminister zu einer Belastung für die große Koalition geworden ist.
Während die Opposition auf eine rasche öffentliche Stellungnahme Steinmeiers drängt, versucht das Auswärtige Amt, auf Zeit zu spielen. Es ließ wissen, Steinmeier sei zu einer Aussage vor dem Untersuchungsauschuß bereit. Das wird sich aber hinziehen: Nach dem Zeitplan des Ausschusses werden in der nächsten Sitzung am 1. Februar andere Zeugen gehört, darunter BND-Agenten, die Kurnaz in Guantánamo verhört haben, sowie der amerikanische Anwalt von Kurnaz. Dann findet erst wieder am 1. März eine Ausschußsitzung statt. Offenbar hofft der Außenminister, daß sich bis dahin die öffentliche Aufregung gelegt haben könnte. Hans Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) verlangte daher eine Sondersitzung des Untersuchungsausschusses. Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler erklärte, er erwarte vom damaligen Kanzleramtschef sowie vom Bundesinnenministerium sofortige Erklärungen. Andernfalls setze Steinmeier sich »dem Verdacht aus, daß es keine plausible Erklärung für das Verhalten der früheren Bundesregierung gibt«. Wolfgang Neskovic, Obmann der Fraktion Die Linke im Ausschuß, forderte am Montag, dem Außenminister dürfe »nicht die Gelegenheit gewährt werden, sich hinter die verschlossenen Türen einer nichtöffentlichen Ausschußsitzung flüchten zu können.«
Kurnaz war Ende 2002 bei einer privaten Reise in Pakistan anläßlich einer Routinekontrolle festgehalten worden. Da die USA für jeden »Terrorismusverdächtigen« 5 000 Dollar Kopfgeld zahlten, übergaben ihn die Pakistani den Amerikanern, obwohl es keinerlei Beweise gegen Kurnaz gab. Nach drei Wochen in Kandahar mit schlimmsten Mißhandlungen wurde Kurnaz ins Folterlager Guantánamo gebracht, wofür laut Aussage seines Anwalts falsche Verdächtigungen entscheidend gewesen sein könnten, die deutsche Behörden den Amerikanern geliefert haben sollen. Kurnaz wurde weiterhin unmenschlich gefoltert. Da die USA ihm aber nichts nachweisen konnten, boten sie der Bundesregierung die Rückführung in die BRD an. Ende Oktober 2002 wurde dies abgelehnt, so daß Kurnaz weitere vier Jahre inhaftiert blieb; Gründe hierfür gab die Bundesregierung bis heute nicht bekannt.
Rechtsanwalt Bernhard Docke hatte im Untersuchungsausschuß darauf hingewiesen, daß die SPD/Grünen-Bundesregierung sogar eine Einreisesperre gegen Kurnaz verhängt hatte. Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte den (mit bis dahin nicht bekannten Dokumenten belegten) Vorwurf, das Bundesinnenministerium habe bei der Ausländerbehörde Bremen veranlaßt, daß der Aufenthaltstitel für Kurnaz aufgehoben wurde. Steinmeier sei voll in die Entscheidungen zu Lasten von Kurnaz eingebunden gewesen.
Der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuß, Thomas Oppermann, führte als Entschuldigung die lächerliche Ausrede an, das Angebot auf Freilassung sei nicht von der zuständigen Stelle gekommen. Wenn Steinmeier keine bessere Begründung einfällt, wird er sich als Außenminister nicht mehr lange halten können.