Die Freilassung der letzten gefangenen RAF-Mitglieder ist überfällig. Die Haftdauer von Birgit Hogefeld, Eva Haule, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt beträgt mittlerweile zwischen 14 und 25 Jahren.
Teile der Medien und manche Politiker lassen derzeit noch einmal die alten Reflexe des »Deutschen Herbstes« aufleben. Sie sähen die Gefangenen offenkundig gerne in der Zelle sterben. Bild, aber auch taz fordern übereinstimmend, Christian Klar müsse sich »entschuldigen« und »Reue« zeigen.
Das Beharren auf Reuebekundungen verrät die menschenfeindliche Gesinnung, die bei Springer & Söhne herrscht. Wer nicht bereit ist, auf Knien um Gnade zu flehen und das Hohelied auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung anzustimmen, der hat seine Ansprüche verwirkt.
Daß von den RAF-Angehörigen völlige Unterwerfung verlangt wird, liegt nicht in ihren Taten begründet, sondern in ihrer Motivation. Hätten sie als KZ-Kommandanten oder als Mitglieder der faschistischen Einsatzgruppen Zehntausende Juden umgebracht, dann wären sie schon längst wieder entlassen worden, wenn sie überhaupt jemals eingesperrt worden wären. Aber Christian Klar war kein SS-Mann und Brigitte Mohnhaupt keine KZ-Kommandeuse, im Gegenteil.
Schockierend ist die Aussage des Stuttgarter Generalstaatsanwalts Klaus Pflieger, der forderte: »Wir müssen die Täter auf das reduzieren, was sie sind, nämlich Verbrecher.« Wer so daherredet, bei dem ist das Recht in extrem schlechten Händen. Juristisch gesprochen: Auch Gefangene sind »Grundrechteträger«. Politisch gesprochen: Der Staatsanwalt stellt sich in die unselige Tradition des »Feindstrafrechts« der 1970er Jahre. Damals wurden die Rechte der Verteidigung massiv beschnitten, die Gefangenen wurden in folterähnlicher Isolationshaft gehalten, es wurden Sondergesetze wie der Paragraph 129a verabschiedet. Dieser ermöglicht Verurteilungen aufgrund der »Mitgliedschaft« in einer »terroristischen Vereinigung«, ohne die persönliche Tatbeteiligung nachzuweisen. Das ist gezielt gegen Linke gerichtet, weder Alt- noch Neonazis müssen diesen Paragraphen fürchten.
Dieses »Feindstrafrecht« wird heute fortgeführt: Die Bundesregierung sieht gezielt weg, wenn die CIA Gefangene kreuz und quer durch Europa in Geheimgefängnisse verschleppt; Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Bundeskriminalamt reisen nach Guantánamo und in andere Folterknäste, um von der Arbeit der dortigen »Verhörspezialisten« zu profitieren. Die falsche Richtung, die in den 1970er Jahren eingeschlagen wurde, wird heute fortgesetzt.
Wer den Rechtsstaat ernst nehmen will, der darf mit Blick auf die RAF-Angehörigen nur fragen: Geht von ihnen noch eine Gefahr aus? Könnte sich durch ihre Freilassung irgend jemand veranlaßt sehen, seinerseits Straftaten zu begehen? Diese Fragen können allesamt verneint werden. Wenn die Gefangenen dennoch nicht freigelassen werden, dann hat das nichts mit Recht zu tun, sondern mit Rache.