Neurath war Botschafter von 1930-1932, unter Hitler war er Außenminister und schließlich „Reichsprotektor“ von Böhmen und Mähren. Die Regierung teilt nun mit, dass in London auch Porträts von Leopold von Hoesch (Botschafter von 1932-1936) und Herbert von Dirksen (1938/39) hängen. Der spätere Außenminister Joachim von Ribbentrop (Botschafter von 1936-1938) fehlt merkwürdigerweise. Die Regierung verharmlost die Porträts als „bildliche Information über ehemalige Behördenleiterinnen und Behördenleiter“, die „in keiner Weise eine Ehrung und Würdigung einzelner Personen“ bedeute. Mit dieser Argumentation könnte man auch Adolf Hitler im Bundeskanzleramt aufhängen.
Nachdem die Presse die Würdigung Neuraths aufgedeckt hatte, berief die Regierung eine Historikerkommission ein. Diese werde, so heißt es in der Antwort, bis Ende Januar einen Zwischenbericht erarbeiten. Derzeit erstelle der Historische Dienst des Auswärtigen Amts Texte, die die Porträts noch im Laufe des Monats Januar „ergänzen und erläutern“ sollen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, wie die lange Liste von Verbrechen, für die Neurath in Nürnberg zu 15 Jahren Haft verurteilt worden war, auf einer kleinen Plakette untergebracht werden kann.
Empörend ist, dass sich die Regierung weigert, meine Frage zu beantworten, in wie vielen anderen Auslandsvertretungen Porträts von Nazibotschaftern hängen. Ich bedauere, dass die Bundesregierung die Aufarbeitung von Verbrechen des Dritten Reiches verschleppt, wenn es ihre eigenen Amtsbereiche betrifft.
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