Mit dem am Mittwoch ergangenen Urteil hat sich gezeigt, daß die Aufarbeitung des NS-Unrechts immer noch nicht Maßstab staatlicher Organe der BRD ist. Über 50 Jahre hatten sich Konzerne und Bundesregierungen um jede Entschädigung für Zwangsarbeit herumgedrückt. Erst als der deutschen Exportwirtschaft ein Imageschaden durch die Klagen Betroffener vor US-Gerichten und damit hohe Profitverluste in den USA drohten, kam es im Juli 2000 zur Einrichtung einer Stiftung, aus der ein Teil der Zwangsarbeiter wenigstens eine symbolische finanzielle Anerkennung erhielt.
Dennoch hatte der Bundestag damit zum Ausdruck gebracht, daß die von den Nazis verordnete Zwangsarbeit gegen die Menschenwürde verstieß. Diese Einsicht ist jedoch offenbar nicht bis zum BVerwG vorgedrungen. In dem jetzt entschiedenen Fall hatte die Klägerin Entschädigung für ein 1949 enteignetes Grundstücks verlangt. Das hatte ihrem Schwiegervater gehört, der eine leitende Stelling in einem Rüstungsbetrieb hatte, in dem während des 2. Weltkrieges auch Zwangsarbeiter sowie Kriegs- und Strafgefangene eingesetzt wurden. Die Behörden hatten die Entschädigung jedoch verweigert, weil der Rechtsvorgänger der Klägerin gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen und dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hatte. Diese Entscheidung entsprach dem Ausgleichleistungsgesetz.
Das BVerwG vertrat dagegen die Auffassung, daß die in diesem Rüstungsbetrieb Beschäftigten »anständig behandelt« worden seien, so daß kein Verstoß gegen die Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit anzunehmen sei. Die Umstände bei der Rekrutierung der Zwangsarbeiter könnten nicht einbezogen werden. Weiter heißt es: »Soweit im Unternehmen Kriegsgefangene zu Arbeiten eingesetzt waren, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Kriegshandlungen standen, stellt eine darin liegende Verletzung von Völkerrecht nicht zugleich einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit dar.« Schließlich genüge die Unterstützung des Ziels, den Krieg zu gewinnen, nicht für die Annahme, der Rüstungsbetrieb habe dem Nazisystems erheblich Vorschub geleistet.
Jan Korte, Innenpolitiker der Linksfraktion im Bundestag, erklärte dazu am Freitag, dieses Urteil sei »unfaßbar und nicht nachvollziehbar«. »Was bitte hat denn eine Rüstungsfirma in Nazideutschland anderes gemacht, als die Nazidiktatur und den Krieg zu unterstützen?«
Zuerst erschienen in: junge Welt vom 03. März 2007