aus: junge welt vom 16. März 2007
Die etwa 180000 »Geduldeten« haben zwar etwas mehr Zeit zur Arbeitssuche (bis 2009). In allen anderen Fragen haben sich aber die Hardliner durchgesetzt. Innenminister Günther Beckstein (CSU) scheute gestern gegenüber der Presse vor Diffamierungen nicht zurück und tönte: »Asylmißbrauch fördert Ausländerfeindlichkeit.« Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warf den Ministerpräsidenten Bayerns und Niedersachsen vor, mit Panikmache wegen angeblicher Belastungen der Sozialkassen die »unterste Schublade« zu bedienen. Die von Edmund Stoiber (CSU) und Christian Wulff (CDU) in die Debatte geworfene angebliche Mehrbelastung von 700 bis 1400 Millionen Euro durch eine Zahlung des vollen Sozialhilfesatzes an die »Geduldeten« ist völlig irrational und diene allein dem Zweck, ein Klima für weitere Repressionen zu schaffen.
Die Beteiligung der Sozialdemokraten ist ein Skandal. Die SPD hat sowohl die unzureichenden Neuregelungen gebilligt als auch weitere Verschärfungen des Aufenthaltsgesetzes. »Das Zuwanderungsrecht wird in ein Ausländerabwehrrecht verkehrt«, kritisierte Pro-Asyl-Sprecher Bernd Mesovic. Gegenüber alten, behinderten und erwerbsunfähigen Menschen sei die Regelung »gnadenlos«. Diese besonders Schutzbedürftigen haben nur eine Chance auf ein Bleiberecht, wenn sie hier jemanden finden, der für ihren Lebensunterhalt aufkommt. In den meisten Fällen wird das unmöglich sein.
Bleiben dürfen künftig nur jene, die Straffreiheit und Sprachkenntnisse vorweisen können und bis Ende 2009 eine Arbeit gefunden haben, von der sie unabhängig von staatlichen Leistungen leben können. »Wer das nicht kann, bleibt weiterhin rassistischen Diskriminierungen wie der Gewährung von Sozialleistungen in Form von Sach- statt Geldleistungen und der Unterbringung in Sammelunterkünften ausgesetzt«, hatte die Linksfraktionsabgeordnete Sevim Dagdelen bereits am Mittwoch in einer Presseerklärung moniert. Flüchtlingsverbände und Linke wenden sich zudem gegen die »Zurückweisungshaft«. Demnach können Flüchtlinge so lange festgehalten werden, bis geklärt ist, welcher Staat für sie »zuständig« ist. Dies verletze internationale Standards, nach denen Flüchtlinge während des Asylverfahrens generell nicht in Haft genommen werden dürfen. Ferner können Schutzbedürftige, die von »willkürlicher Gewalt« bedroht sind, keinen individuellen Schutzanspruch einklagen, sondern sind weiter auf Abschiebestopps der Bundesländer angewiesen.