Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
möchte mich hier nicht zum Schattenboxen von Herrn
Kammer auslassen. Ich würde ihm aber doch empfehlen,
sich zu diesem Thema sachlich kompetenter zu äußern.
Ich finde, das Thema ist viel zu ernst, um die Redezeit
mit Ausführungen darüber zu füllen, was die DDR mög
licherweise für eine Flüchtlingspolitik betrieben hat. Ich
glaube, wenn wir diese Debatte hier führten, würden Sie,
gerade, was Chile angeht, nicht besonders gut dastehen.
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen
hat einen dringenden Appell an die Bundesrepublik
gerichtet, Flüchtlinge aus Sri Lanka aufzunehmen. Etwa
eine halbe Million Menschen sind dort innerhalb des eigenen
Landes auf der Flucht. Die Zivilbevölkerung gerät
mehr und mehr zwischen die Fronten. In Colombo und
in den Vorstädten sind die Menschen von willkürlichen
Polizeimaßnahmen bedroht. Demonstrationen für Frieden
und Aussöhnung werden von bewaffneten Banden
überfallen. Journalisten werden verschleppt und getötet.
Unliebsame Persönlichkeiten lässt die Regierung verschwinden.
Dennoch hielten es Vertreter des Innenministeriums
in der Sitzung des Menschenrechtsausschusses am
17. Januar nicht für notwendig, Flüchtlinge aus Sri
Lanka aufzunehmen. Das bringt die deutsche Flüchtlingspolitik
auf den Punkt: Hier wird ganz offensichtlich
eine Abschottungspolitik praktiziert. Es kann nicht bestritten
werden – das hat auch die Debatte gezeigt –, dass
Menschen in Sri Lanka Krieg und Verfolgung zu erleiden
haben. Ihre Anerkennung als Flüchtlinge wird ihnen
dennoch verwehrt.
Das Bundesinnenministerium weist auf angeblich bestehende
landesinterne Fluchtalternativen hin. Dagegen
hat das Auswärtige Amt in der Sitzung des Menschenrechtsausschusses
konstatiert, dass sich das Land
seit Juli 2006 im Kriegszustand befinde. Überall müssen
Tamilen und Muslime mit Übergriffen rechnen. Im genannten
Appell des UN-Flüchtlingskommissars wird die
Lage in Sri Lanka ausführlich geschildert. Demnach gehen
von allen am Bürgerkrieg beteiligten Parteien massive
Menschenrechtsverletzungen aus. Eine landesinterne
Fluchtalternative gebe es also nicht, sagt auch der
Flüchtlingskommissar.
Es hat sich erst vorgestern wieder gezeigt, dass die
Zentralregierung die Situation nicht unter Kontrolle hat
und keine Sicherheit gewährleisten kann – Herr
Kammer hat es schon erwähnt –: Der deutsche Botschafter
ist bei einer Reise durch Sri Lanka einem Angriff bewaffneter
Kräfte knapp entkommen; der italienische
Kollege wurde verletzt. Herr Kammer, gerade das sollte
für uns ein Grund sein, über Flüchtlingsschutz nachzudenken.
Flüchtlinge aus Sri Lanka, die am Flughafen in
Frankfurt ankommen, dürfen dennoch – Kollege
Winkler hat das schon deutlich gemacht – nicht in die
Bundesrepublik einreisen. Im Schnellverfahren wird behauptet,
dass gestellte Asylanträge „offensichtlich unbegründet“
seien. Kollege Veit hat deutlich gemacht, dass
wir im Innenausschuss über diese Fragen diskutieren
werden. Selbst wenn sich die Praxis aktuell geändert hat,
steht fest, dass es seit August 2006 am Frankfurter Flughafen
Rückschiebungen gegeben hat.
Die Bundesrepublik verstößt mit diesen Rückweisungen
eindeutig gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.
Das ist meiner Meinung nach nur die eine Seite des
Skandals; die andere Seite ist, dass es nach meinen Informationen
– Herr Veit, auch das gilt es zu überprüfen –
Verfahren auf Widerruf der Asylanerkennung gegen
Menschen aus Sri Lanka gibt. Ich nehme gerne zur
Kenntnis, dass Sie behaupten, dies geschehe nun nicht
mehr. Wenn das stimmt, ist das natürlich ein Fortschritt.
(Rüdiger Veit [SPD]: Ich habe heute noch einmal
nachgefragt!)
Auf jeden Fall halte ich es für wichtig, dass die zurzeit
hier geduldeten Menschen – ich weiß nicht, ob es im
Moment 1 200 oder 2 000 sind, wie Herr Veit gesagt hat
– einen Abschiebeschutz erhalten. Deswegen treten wir
mit unserem Antrag – die Intention des Antrags der Grünen
ist ja sehr ähnlich – für einen Abschiebestopp ein.
Ich hoffe, wir werden eine erfolgreiche Beratung haben.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Josef
Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN])
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