Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vorbehaltserklärung
der Bundesrepublik zur UN-Kinderrechtskonvention
ist symptomatisch für den Umgang
mit Schutzbedürftigen in diesem Land.
(Zurufe von der SPD: Oh!)
Schon der Wortlaut verrät einiges über das Denken
seiner Autoren. In der Konvention heißt es nämlich: Alle
Kinder haben die gleichen Rechte. – Demgegenüber
steht im Vorbehalt der Bundesregierung – ich zitiere –:
Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern müssen
gemacht werden. Mit anderen Worten: Kinderrechte
sollen nur die Rechte deutscher Kinder sein. Das widerspricht
aber dem Grundgedanken der Konvention, dem
besonderen Schutzbedürfnis von Kindern universell
Gültigkeit zu verschaffen. Diese Diskriminierung trifft
in besonderer Weise Kinder, die besonders schutzbedürftig
sind – meine Kollegin von den Grünen hat es schon
angesprochen –, zum Beispiel die unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlinge. Im Alter von 16 und
17 Jahren gelten sie nach dem Asylverfahrensgesetz
schlichtweg als Erwachsene. Um ihr Alter bestimmen zu
können, werden sie nicht einfach gefragt; vielmehr werden
sie entwürdigenden Behandlungen und fragwürdigen
medizinischen Untersuchungen unterzogen. Davon
sind selbstverständlich auch Kinder betroffen, die noch
nicht einmal 16 Jahre alt sind.
Eine weitere Konsequenz der unvollständigen Umsetzung
der Konvention ist, dass auch Minderjährige in
Abschiebehaft genommen werden. Das wurde eben bereits
angesprochen. Herr Staatssekretär, allein im Jahr
2004 saßen in zwölf Bundesländern 240 Minderjährige
zwischen 16 und 17 Jahren in Abschiebehaft. Auch für
unbegleitete 16- und 17-jährige Flüchtlinge gilt das sogenannte
Flughafenverfahren, das an sich schon eine sehr
fragwürdige und zweifelhafte Einrichtung ist.
Schließlich sind alle diese Jugendlichen von den Leistungen
der Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII ausgeschlossen.
Alle bisherigen Bundesregierungen – darin
muss man den Kollegen recht geben, die das kritisiert
haben – einschließlich der SPD-Grüne-Bundesregierung
haben diesen Vorbehalt trotz vieler Anträge nicht zurückgenommen.
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das war Schily!)
Es wird im Übrigen auch ignoriert, dass das UN-Komitee
für die Rechte der Kinder noch im Jahr 2004 zahlreiche
Kritikpunkte am deutschen Asyl- und Flüchtlingsrecht
äußerte.
(Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/
CSU])
– Ich kann es Ihnen gerne geben, wenn Sie es nicht glauben.
Diese Beispiele zeigen: Der Vorbehalt ist die eine
Seite des Skandals; die entsprechenden Bestimmungen
im deutschen Asyl- und Flüchtlingsrecht sind die andere
Seite. Ich nehme Sie gerne beim Wort, Herr Staatssekretär,
wenn Sie sagen, dass die geltenden Gesetze im Einklang
mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen stehen.
Wir werden auf jeden Fall darauf zurückkommen. Denn
tatsächlich müssten Sie sämtliche Gesetze im Aufenthalts-,
Asyl- und Flüchtlingsrecht ändern, wenn der Vorbehalt
zurückgenommen wird.
Wir fordern die tatsächliche Gleichberechtigung aller
Kinder und den umfassenden Schutz minderjähriger
Flüchtlinge. Deswegen muss der Vorbehalt zurückgenommen
und müssen vor allen Dingen die Gesetze den
internationalen Verpflichtungen angepasst werden.
Danke.
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