Sehr geehrter Dr. Lammert,
in Zusammenhang mit einer Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE nach dem Einsatz der Bundeswehr beim G8-Gipfel hat die Bundesregierung Antworten gegeben, die nach meiner Ansicht nicht nur irreführend, sondern teilweise falsch sind. Ähnliches lässt sich sich auch für die Antworten auf Fragen des Kollegen Christian Ströbele sagen. Im Folgenden erlaube ich mir, Ihnen die Vorgänge zu schildern und Sie zu bitten, der Bundesregierung eine Rüge zu erteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Jelpke
Mit Datum vom 26. April hat die Bundesregierung unter Bundestagsdrucksache 16/5148 auf unsere Kleine Anfrage „Einsatz der Bundeswehr beim G8-Gipfel in Heili-gendamm“ (16/4983) geantwortet. Aus heutiger Sicht stelle ich anhand folgender Punkte Unstimmigkeiten und Unrichtigkeiten fest:
1) Antwort auf Frage 1, 2 und 3: Die Bundesregierung wurde nach der Anzahl, dem Zweck und der Bewaffnung der eingesetzten und in Bereitschaft gehalte-nen Soldaten gefragt. Die Bundesregierung antwortet, dass der Einsatz von ca. 1100 Soldaten und zivilen Mitarbeitern beabsichtigt sei. Darüber hinaus würden keine Soldaten in Bereitschaft gehalten, auch nicht innerhalb abge-sperrter Bereiche. – Dem gegenüber steht die Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium der Verteidigung, Dr. Christian Schmidt, in der Sitzung des Innenausschusses am 20. Juni. Herr Schmidt führte dort aus, zusätzlich zu den 1100 Soldaten (zivile Mitarbeiter werden gar nicht mehr erwähnt), seien 250 Soldaten mit Sicherungsaufgaben eingesetzt worden.
2) Antwort auf Frage 6: Die Bundesregierung wurde gefragt: „Mit welchen Tätig-keiten werden die Soldaten während des Gipfels betraut…?“ und um detaillier-te Aufschlüsselung gebeten. Die Antwort ist jedoch in keiner Weise aufgeglie-dert und beschränkt sich auf die Auskunft: „Umfang und Intensität der Unter-stützungsleistungen durch die Bundeswehr werden erst zeitnah zum G8-Gipfeltreffen endgültig absehbar sein.“ – Dem gegenüber steht die Tatsache, dass Amtshilfeersuchen an die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt schon eingegangen und zum Teil auch bereits bewilligt worden waren. Den Ausfüh-rungen des PSts Christian Schmidt im Innenausschuss zufolge waren schon am 13. März 2007 die Amtshilfeanträge des Landes Mecklenburg-Vorpommern bzw. Tornados und Fennek-Spürpanzern gestellt worden. Diese seien am 26. April 2007 durch den Bundesminister der Verteidigung gebilligt worden. Selbst wenn die Bundesregierung zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage noch nicht die endgültige Bewilligung gewährt hatte, ist es doch of-fenkundig, dass sie zu diesem Zeitpunkt gewillt war, das Ersuchen positiv zu bescheiden, und hätte das auch mitteilen müssen.
3) Antwort auf Frage 12: Auf die Frage: „In welchen Kasernen werden Unterbrin-gungsmöglichkeiten bereitgestellt und für wen und wie viele Personen?“ ant-wortete die Bundesregierung: „Die Nutzung verfügbarer Kapazitäten wird erst zeitnah zum G8-Gipfeltreffen endgültig absehbar sein.“ – Dem gegenüber steht die Tatsache, dass die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns be-reits am 8. Februar 2007 in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeord-neten Peter Ritter (Fraktion der Linkspartei.PDS, Landtagsdrucksache 5/167) vier Kasernen namentlich nannte, für die ein Angebot der Bundeswehr zur Un-terbringung von Unterkünften für die Bereitschaftspolizei vorliege. Eine wahr-heitsgemäße Beantwortung unserer Frage hätte es erfordert, dieses Angebot zu erwähnen.
4) Antwort auf Frage 13: Auf die Frage, ob beabsichtigt sei, die Bundeswehr an der Sicherung der Strecke zwischen dem Flughafen Rostock-Laage und dem Tagungshotel zu beteiligten und wenn ja, in welcher Form und auf welcher Rechtsgrundlage, antwortete die Bundesregierung mit „Nein“. – Dem gegen-über steht die Tatsache, dass entlang der Straßen in der Region Rostock Spähpanzer „Fennek“ eingesetzt worden sind. Es mag dahingestellt bleiben, ob diese auch entlang der Straßenverbindung vom Flughafen zum Tagungs-hotel im Einsatz waren. Eine sachgemäße Auskunft hätte jedenfalls darin be-stehen müssen, auf den zu diesem Zeitpunkt schon absehbaren Fennek-Einsatz hinzuweisen.
5) Antwort auf Frage 16: Hier wurde die Bundesregierung gefragt, inwiefern Sol-daten in Uniform auf der Straße zu sehen seien. In der Antwort erweckt die Bundesregierung den Eindruck, der Einsatz der Bundeswehr sei „analog zur FIFA-Fußball-WM 2006“ zu erwarten und es würden keine militärischen Un-terstützungskräfte „’in erster Reihe’ in Erscheinung treten“. – Dem gegenüber steht die Tatsache, dass sich der Bundeswehr-Einsatz zum G8-Gipfel vom Einsatz zur Fußball-WM erheblich unterschied, vor allem weil bei der WM we-der Tornado-Flugzeuge noch Spähpanzer eingesetzt worden sind.
6) Antwort auf Frage 18: Hier wurde die Bundesregierung gefragt, welche Rolle die Bundeswehr im Zusammenwirken von Sicherheits- und Hilfskräften bei Gewalttätigkeiten zwischen Polizei und Demonstrantinnen und Demonstranten spielen solle. Die Bundesregierung antwortete, die Unterstützung der Bun-deswehr beschränke sich auf das „Erbringen technisch-logistischer Amtshilfe nach Artikel 35 Abs. 1 GG“. – Dem gegenüber steht die Tatsache, dass die Bundeswehr mittels Spähpanzern und Tornados direkte Zuarbeit zur polizeili-chen Lagebildgewinnung geleistet hat. Hinzu kommt die Tatsache, dass min-destens ein Hubschrauber der Bundeswehr (MedEvac) bereit stand, um Ver-letzte zu transportieren. Insofern war die Antwort mindestens irreführend.
7) Antwort auf Frage 19: Die Bundesregierung wurde nach den den verschiede-nen Einsatzplanungen zugrunde liegenden Szenarien gefragt. Sie Antwortet: „Die Unterstützungsleistungen der Bundeswehr sind nicht einsatzbezogen.“ – Dem gegenüber steht die Tatsache, dass es sich bei der Verwendung von Tornado-Flugzeugen und Spähpanzern eindeutig um einen „Einsatz“ im Sinne des Grundgesetzes handelt, da durch diese Handlungen der unmittelbar ob-rigkeitliche Einsatz von Polizeikräften unterstützt wird. Die Antwort ist daher eindeutig falsch.
8) Abschließend sei noch auf eine Schriftliche Frage des Kollegen Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) hingewiesen. Dieser hatte sich ebenfalls nach dem Bundeswehreinsatz zum G8-Gipfel erkundigt und am 16. Mai 2007 eine Antwort erhalten (DRs. 16/5499, Frage 32). Darin unterlässt die Bundes-regierung jegliche nähere Ausführung zum Bundeswehreinsatz, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon die meisten Amtshilfeersuchen positiv beschieden bzw. die ersten Tornado-Flüge bereits wieder absolviert waren. Auch in der Fragestunde am 23. Mai 20076 (99. Sitzung des Bundestages), wurden dem Kollegen Ströbele auf seine Frage, wozu 1100 Angehörige der Bundeswehr eingesetzt würden, keine näheren Angaben gemacht, die über die Standard-formel „logistische Maßnahmen“ hinausgehen.