Liebe Kolleginnen und Kollegen,
weiterhin arbeiten Millionen in Deutschland zu Hungerlöhnen. Drei Viertel der Menschen hier im Lande befürworten daher die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen. Doch wie in der Frage der Heraufsetzung des Rentenalters oder der Entsendung von Bundeswehrtornados nach Afghanistan setzt sich die Regierungskoalition über den Willen dieser großen Mehrheit hinweg.
Zwar hat die SPD hat eine Unterschriftensammlung für Mindestlöhne durchgeführt. Doch am 23. Mai hat die SPD zum wiederholten Male gegen ihre eigene Forderung gestimmt, als die LINKE im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales einen entsprechenden Antrag für Mindestlöhne einbrachte.
Die Liebe der Sozialdemokraten zum Koalitionspartner wiegt offenbar mehr, als die Verantwortung für Hunderttausende, die derzeit zu Elendslöhnen schuften müssen. Und wenn es der SPD ernst gewesen wäre, hätte sie sieben Jahre Zeit gehabt, die Mindestlöhne zusammen mit den Grünen in der Regierung einzuführen. Dies zeigt auch, was von der heuten Mindestlohnkampagne der SPD zu halten ist – die Wähler sollen eingeseift und vertröstet werden.
Ohne Druck von unten wird es also keine Mindestlöhne geben. Diese Tour ist ein guter Anfang. Doch es werden noch viel mehr außerparlamentarische Aktivitäten nötig sein. Denn gesetzliche Mindestlöhne müssen in diesem Land erst erkämpft werden, obwohl im Deutschen Bundestag schon längst eine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden wäre.
Die Linkspartei fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von acht Euro. Wer – auch auf gewerkschaftlicher Seite – sagt, das wäre zu hoch gegriffen, sollte einen Blick ins Mutterland des Kapitalismus nach England werfen. Dort gibt es inzwischen einen Mindestlohn von 8 Euro 10. Und der Präsident des britischen Unternehmerverbandes bestätigte in einer Anhörung der Linksfraktion, dass die britische Wirtschaft daran keinen Schaden genommen habe. Auch diese acht Euro dürfen kein Dogma nach oben sein. So begrüße ich es, dass die Gewerkschaften verdi und ngg im teuren München neun Euro fordern.
Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn auch, damit die arbeitenden Armen nicht gegen die Arbeitslosen ausgespielt werden können. Denn je niedriger die Löhne, desto größer der Druck auf die Arbeitslosen. Und je elender die Lage der Arbeitslosen, desto größer der Druck auf die Löhne. Diese Armutsspirale muss beendet werden. Von Arbeit muss man leben können und wer arbeitslos ist, darf nicht verarmen.
Der gesetzliche Mindestlohn macht Schluss mit dieser Erpressungsspirale. Aber wir dürfen nicht bei der Frage Mindestlohn stehen bleiben. Auch die Hartz-Gesetze mit den Ein-Euro-Jobs müssen endlich weg.
Ich wünsche Euch auf der Mindestlohntour viel Erfolg. Ich versichere euch, dass ihr in der Linksfraktion im Bundestag einen verlässlichen Partner in dieser Frage haben werdet.
Ulla Jelpke, MdB