Die Bedeutung von Musik für die neofaschistische Szene ist in vielen Studien eindeutig belegt worden. Die Bundestagsfraktion Die Linke stellt zu der Thematik vierteljährlich detaillierte Fragen an die Bundesregierung, um deren Erkenntnisse über Musikveranstaltungen der extremen Rechten abzufragen. Die am Mittwoch veröffentlichte Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage zum zweiten Quartal (BT-Drucksache 16/6056) ist inhaltlich jedoch mehr als dürftig.
Demnach fanden von April bis Juni 2007 rund 50 rechtsextremistische Konzerte sowie sechs Liederabende statt. Die Regierung weigert sich aber wie immer, die Orte der Konzerte und die Namen der beteiligten Musikgruppen zu nennen; die rechtsextremistische Szene könne sonst »Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden ziehen«.Veranstalter waren Aktivisten der rechten Skinheadszene sowie »Kameradschaften« und teilweise auch Untergliederungen der NPD sowie der Jungen Nationaldemokraten. Zu den Konzerten kamen durchschnittlich 125 Besucher (insgesamt also 6250), zu den Liederabenden jeweils bis zu 60 Personen.
Ein Vergleich mit der Statistik für 2006 und für das erste Quartal 2007 zeigt eine steigende Tendenz. Im Jahre 2006 kamen durchschnittlich pro Vierteljahr 5 500 Besucher zu diesen Konzerten, im ersten Quartal 2007 waren es 5500, im zweiten Quartal 2007 schon 6250. Somit ist eine signifikante Steigerung der Besucherzahlen festzustellen.
14 rechtsextreme Konzerte wurden im zweiten Quartal 2007 von der Polizei aufgelöst (erstes Quartal: sieben) und fünf bereits im Vorfeld verboten oder durch präventive Maßnahmen der Sicherheitsbehörden verhindert (erstes Quartal: zwei). Bei Konzerten in Kosel (Sachsen-Anhalt) und Gera (Thüringen) wurden Tonträger wegen des Verdachts auf Volksverhetzung, Gewaltdarstellung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen sichergestellt. Um welche Tonträger es ging, sagt die Bundesregierung nicht.
Offenbar will die Bundesregierung ihre zu Tage getretene Unkenntnis im Bereich rechtsextremer und neonazistischer Musik verschleiern. Konzerte dienen den Neonazis als willkommenes und wirksames Mittel, um Nachwuchs zu rekrutieren und emotional zu konditionieren. Dabei hat sich das Spektrum der benutzten Musikstile im Laufe der Zeit deutlich erweitert und reicht heute bis in Punk, Rap und HipHop hinein, wodurch sich die Rekrutierungsbasis verbreitert hat. Konzerte und der Austausch von CDs sind die ersten Berührungspunkte Jugendlicher mit der Szene. Über die nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Texte werden wichtige Botschaften der extremen Rechten an die Jugendlichen herangetragen. Musik wird also von den Neonazis als wichtigste »Einstiegsdroge« genutzt, mit der vor allem junge Leute geschickt geködert und nach und nach in die politischen Aktivitäten der Neonazis einbezogen werden.
Auch für die Finanzlage rechter Organisationen ist dieses Engagement äußerst nützlich. In dem Buch »White Noise«, das in Zusammenarbeit mit der britischen Zeitung Searchlight, dem Berliner Antifaschistischen Infoblatt und anderen entstanden ist, wird dargestellt, welches ökonomische Potential die Verkaufserlöse für neofaschistische Organisationen darstellen. »Neonazimusik konnte schon Mitte der 90er Jahre Hunderttausende von Mark erwirtschaften, heute dürften es allein in Deutschland Millionen sein«, stellen die Herausgeber im Vorwort fest.
Zuerst erschienen in: junge Welt vom 26. Juli 2007