In einem Gespräch mit der Berliner Zeitung hatte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) die Öffentlichkeit damit zu beschwichtigen versucht, das Thema Computerüberwachung werde bei dem anstehenden BKA-Gesetz wahrscheinlich fürs erste zurückgestellt. Spiegel online kommentierte das am Freitag morgen voller Wohlwollen mit »Zypries meldet Punktsieg über Schäuble«. Und weiter: »Im Streit um die heimlichen Online-Durchsuchungen haben sich die Sozialdemokraten nun durchgesetzt. Laut Justizministerin Zypries ist Wolfgang Schäuble bereit, die umstrittenen Razzien aus dem neuen BKA-Gesetz zunächst auszuklammern.« Die Siegesfanfare verstummte schnell. Denn Schäuble widersprach sofort »entschieden« der Darstellung, er wolle im Streit mit dem Koalitionspartner einlenken. Das Gesetz befinde sich in der Ressortabstimmung, »und zwar mit dem Instrument der Online-Durchsuchung«.
Schäuble weiß allerdings genau, daß demnächst das Bundesverfassungsgericht über eine analoge Regelung des Landes Nordrhein-Westfalen entscheiden wird (siehe Seite 5). Viele Experten erwarten, daß das von der CDU-FDP-Koalition in Düsseldorf durchgebrachte Gesetz in Karlsruhe scheitern wird, da die Schnüffelei via Internet wie Streubomben gegen die Verfassung wirken: Sie verstoßen gegen das Fernmeldegeheimnis, die Unverletzlichkeit der Wohnung, den Persönlichkeitsschutz und die Menschenwürde. Dennoch will der »Verfassungsminister« sein grundgesetzwidriges Vorhaben durchsetzen. Schäuble ist also selbst ein Fall für den Verfassungsschutz.
Nicht mehr als Theaterdonner ist die öffentliche Debatte darüber, ob die große Koalition die Online-Durchsuchungen mit dem BKA-Gesetz einführen wird oder erst ein paar Wochen später in einer gesonderten Regelung. Der »Widerstand« der SPD wurde nämlich von Zypries rein taktisch begründet. Sie forderte nicht etwa eine klare inhaltliche Ablehnung, sondern plädierte lediglisch für eine zeitliche Verschiebung, um über die Ausspionierung der Computerspeicher dann »in Ruhe« zu beraten. Eine eindeutige bürgerrechtliche Positionierung gegen die verfassungswidrigen Schäuble-Pläne sieht anders aus.
Noch demaskierender sind Äußerungen des SPD-Innenpolitikers Dieter Wiefelspütz. Er bezeichnete es als »Gebot der politischen Klugheit«, die Online-Durchsuchungen »nicht mit der Brechstange« bei der Novellierung des BKA-Gesetzes durchzusetzen. Es gehe laut Wiefelspütz jedoch nicht darum, das Verfahren zu blockieren.
Worum geht es der SPD dann? Es ist offenkundig, daß sich die Sozialdemokraten nach außen hin als Hüter der Verfassung darstellen wollen, nachdem sie unter Schäubles Vorgänger Otto Schily (SPD) die Bürgerrechte reihenweise eingeschränkt haben. Aber wirklich verhindern will die SPD die Online-Durchsuchungen nicht – sie wird wie immer einknicken. Wetten?
Zuerst erschienen in: junge Welt vom 28.07.2007