Zum sechsten Mal hat die internationale Nichtregierungsorganisation »Reporter ohne Grenzen« (ROG) am Dienstag die Rangliste zur weltweiten Situation der Pressefreiheit veröffentlicht. Die BRD erscheint auf Platz 20.
Im Jahr 2005 rangierte Deutschland noch auf Platz 18. Wegen zahlreicher skandalöser Vorgänge wurde die BRD aber im Jahre 2006 sogar um fünf Plätze zurückgestuft. Maßgeblich hierfür war das Eingeständnis des Bundesnachrichtendienstes, über zehn Jahre hinweg bis zum Herbst 2005 Journalisten illegal überwacht zu haben. Zudem fiel der Fall »Cicero« negativ ins Gewicht, als Redaktionsräume und die Privatwohnung eines Mitarbeiters wegen angeblicher »Beihilfe zum Geheimnisverrat« durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt wurden (das Verfahren wurde mittlerweile eingestellt). Auch der trotz Verabschiedung des (völlig unzureichenden) Informationsfreiheitsgesetzes immer noch erschwerte Zugang zu Daten spielte eine Rolle bei der kritischen Bewertung durch die NGO.
Für das Jahr 2007 stellte »Reporter ohne Grenzen« fest, daß sich an der Lage in Deutschland »wenig zum Positiven« verändert habe. Ermittlungsverfahren gegen Journalisten wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat, gesetzliche Regelungen und Vorschläge, die den Quellenschutz aushöhlten, Drohungen und Übergriffe gegen Journalisten, die im rechten Milieu recherchierten sowie Einflußnahme auf Redaktionen mittels Anzeigenschaltungen hätten zu Minuspunkten geführt. Dem ist hinzuzufügen, daß im Bundestag längst Vorschläge der Opposition zur Stärkung der Pressefreiheit vorliegen. Dabei geht es vor allem darum, der Kriminalisierung von Journalisten ein Ende zu bereiten, die derzeit bei der Verwendung regierungs-interner Informationen zur Aufdeckung von Mißständen mit Strafverfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat überzogen werden. Bisher weigert sich die große Koalition aus CDU/CSU und SPD jedoch, Klarstellungen im Strafgesetzbuch und in der Strafprozeßordnung zugunsten der Pressefreiheit und des Informantenschutzes vorzunehmen.
Im August 2007 hatte es großes Aufsehen erregt, als mehrere Staatsanwaltschaften aufgrund einer Ermächtigung zur Strafverfolgung durch den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) Ermittlungen gegen den Spiegel, die Süddeutsche Zeitung und andere bekannte Publikationen wegen deren Berichterstattung über den BND-Untersuchungsausschuß führten. Lammert weigert sich bis heute, die Strafverfolgungsermächtigung zurückzuziehen.
»Reporter ohne Grenzen« wurde 1985 von Robert Menard gegründet und setzt sich als international tätige NGO für die Pressefreiheit auf der ganzen Welt ein. Der Name wurde in Anlehnung an die Organisation »Ärzte ohne Grenzen« gewählt. Die Arbeit von ROG ist jedoch nicht unumstritten, weil die Bewertungen gegenüber den westlichen Staaten oft zu unkritisch erscheinen.
An der Spitze der diesjährigen Rangliste liegen daher ausschließlich europäische Staaten wie Island, Norwegen, Estland und die Slowakei. Von den EU-Staaten schneidet Polen (56.) am schlechtesten ab. »Seit die Brüder Ka-czynski an der Macht sind, mehren sich die strafrechtlichen Verfolgungen von Medienleuten«, heißt es bei ROG. Die USA erscheinen auf Platz 48. ROG kritisiert, daß dort der Quellenschutz gefährdet sei. Außerdem werde ein Kameramann von Al-Dschasira seit Juni 2002 in Guantánamo gefangengehalten.
Als allgemeinen Trend beschrieb ROG am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung der Rangliste, daß die Pressefreiheit durch verstärkte Internetzensur zunehmend eingeschränkt werde. »Mehr und mehr Regierungen erkennen die Schlüsselrolle des Webs im Kampf für Demokratie und entwickeln immer ausgefeiltere Zensurmethoden«, erklärte die Organisation. Diese Beobachtung paßt zu der aktuellen Debatte in der BRD um die Pläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäubles Pläne für heimliche Onlinedurchsuchungen von privaten PCs.
zuerst erschienen in: junge Welt vom 18.10.2007