Liebe KollegInnen und Kollegen,
ich freue mich, Sie und Euch so zahlreich auf der Betriebs- und Personalrätekonferenz der Bundestagsfraktion DIE LINKE hier in Dortmund begrüßen zu können.
Es war ja lange keine Selbstverständlichkeit, dass aktive Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter und Betriebsrätinnen und –räte die Diskussion mit der Linken suchen. Gerade hier in Nordrheinwestfalen galt seit 100 Jahren das eherne Gesetz, dass die SPD die Partei der Gewerkschaften, die Vertretung der arbeitenden Bevölkerung ist.
Doch die neoliberale Politik der SPD zuerst unter Schröder und jetzt in der großen Koalition hat vielen langjährigen Sozialdemokratinnen und -demokraten, vielen Mitgliedern der Gewerkschaften die Augen geöffnet.
Ob Mehrwertsteuererhöhung, Gesundheitsreform zu Lasten der Patienten oder Rente erst mit 67 – die Regierung hört nicht auf, den Beschäftigten und Arbeitslosen in die Tasche zu greifen. Seit zehn Jahren schon gibt es hierzulande keinen realen Lohnzuwachs mehr, Deutschland ist stattdessen bei der Reallohnentwicklung das Schlusslicht in Europa. Der angebliche Wirtschaftsaufschwung hat sich in den Geldbeuteln der arbeitenden Bevölkerung noch nicht bemerkbar gemacht. Stattdessen setzen Unternehmerverbände und Bundesregierung weiter auf Lohnsenkungen und Mehrarbeit ohne Lohnausgleich.
Die Lohnabhängigen verdienen heute nicht nur weniger als vor zehn Jahren, ihre Jobs sind auch unsicherer und prekär geworden. Die Zahl von Zeitarbeitern hat sich seit 2003 auf 650.000 verdoppelt. 18 Prozent aller Erwerbstätigen sind Minijobber, weitere 600.000 müssen auf 1-Euro-Basis malochen. 440.000 Vollzeitbeschäftigte können von ihrer Arbeit nicht leben und müssen zusätzlich Hartz IV beziehen. Millionen Menschen arbeiten in Deutschland zu Hungerlöhnen. Das ist die Bilanz der Arbeitsmarktreformen der Schröder- und Merkel-Regierung.
Drei Viertel der Menschen hier im Lande befürworten daher die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen. Doch wie in der Frage der Heraufsetzung des Rentenalters oder der Entsendung von Bundeswehrtornados nach Afghanistan setzt sich die Regierungskoalition über den Willen dieser großen Mehrheit hinweg. Gesetzliche Mindestlöhne müssen in diesem Land erst erkämpft werden, obwohl im Deutschen Bundestag rechnerisch schon längst eine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden wäre. Die Linkspartei fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von acht Euro. Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn, damit die arbeitenden Armen nicht gegen die Arbeitslosen ausgespielt werden können. Denn je niedriger die Löhne, desto größer der Druck auf die Arbeitslosen. Und je elender die Lage der Arbeitslosen, desto größer der Druck auf die Löhne. Diese Armutsspirale muss beendet werden. Von Arbeit muss man leben können und wer arbeitslos ist, darf nicht verarmen. Der gesetzliche Mindestlohn macht Schluss mit dieser Erpressungsspirale. Aber wir dürfen nicht bei der Frage Mindestlohn stehen bleiben. Auch die Hartz-Gesetze mit den Ein-Euro-Jobs müssen endlich weg. Dafür tritt die LINKE ein und dafür brauchen wir Ihre und Eure Unterstützung in den Betrieben, in den Gewerkschaften und auf der Straße.
Anrede…
Der Klassenkampf in Deutschland nimmt an Schärfe zu. Wir erleben dies beim Streik der Lokführerinnen und Lokführer für eine deutliche Lohnerhöhung.
Mit allen Mitteln versucht die Bahn-AG den Streik der Lokführer zu brechen. Zwei Lokführern wurde bereits wegen „gefährlicher Eingriffs in den Eisenbahnverkehr“ fristlos gekündigt. Mehr als 200 weitere Lokführer sollen nach Presseberichten von der Arbeit suspendiert worden sein. Allein hier in Nordrheinwestfahlen wurden 50 Kollegen von der Bahn mit Kündigung bedroht, wenn sie sich weiter am Streik beteiligen.
Streikwillige Lokführer wurden von der Bahn mit Notdienstplänen zur Arbeit gezwungen. Solche Notdienstpläne dürfen eigentlich nur in Fällen gelten, wo Gefahr für Leib und Leben besteht. Ebenso willkürlich hat die Bahn reguläre Züge als Sonderzüge deklariert, um dort Beamte als Streikbrecher einzusetzen.
Der Gipfel ist aber wohl das Urteil des Chemnitzer Arbeitsgerichts, das Streiks im Fern- und Güterverkehr als „unverhältnismäßig“ für die Wirtschaft verbietet.
Mit einem solchen Urteil, das in der Berufung Anfang November hoffentlich gekippt wird, ließe sich faktisch jeder Streik unterbinden. Denn ein Streik hat nur Aussichten auf Erfolg, wenn die Bosse wirtschaftliche Nachteile zu befürchten haben. Ein solches Urteil, das kurzerhand das Streikrecht aushebelt, kann nur als Klassenjustiz in Reinform bezeichnet werden!
Die erlaubten Streiks im Nahverkehr treffen vor allem die arbeitende Bevölkerung. Die Bahnführung hofft wohl, dass so viele Menschen ihre Sympathien mit den streikenden Lokführern verlieren.
Die Lokführerinnen und Lokführer verdienen in ihrem Arbeitskampf unsere Solidarität – trotz unserer Kritik am ständischen Selbstverständnis der „Gewerkschaft der Lokführer“. Auf dem Parteitag der LINKEN.NRW am Wochenende unterschrieben zahlreiche Delegierte eine Solidaritätserklärung. Darin heißt es: „Eine Niederlage der Lokführer würde einen weiteren Dammbruch bei der Verteidigung sozialer Errungenschaften in Deutschland bedeuten; ein Erfolg kann hier eine Trendwende einleiten und auch den Privatisierungskurs bremsen. Im Rahmen konkreter Unterstützung des Streikes treten wir für die Perspektive des gemeinsamen Kampfes aller Bahnbeschäftigten ein.“
Anrede…
Während die Unternehmer fast alle Machtmittel in den Händen halten und über die Unterstützung der Medien, willfähriger Richter und einflussreiche Lobbyisten in der Politik verfügen, haben die Arbeiterinnen und Arbeiter nur das Streikrecht um ihre Interessen zu verteidigen.
Und dieses Streikrecht wird nicht erst seit dem Chemnitzer Urteil eingeschränkt. Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten ist in Deutschland ein politischer Streik durch ein aus den 50er Jahren stammendes Arbeitsgerichtsurteil verboten. Streiks für politische Ziele gefährdeten die Organe des Staates, urteilten die Gerichte damals und diese vordemokratische Sichtweise wurde bis heute nicht revidiert.
Generalstreiks, wie sie in Frankreich oder Italien stattfinden, sind in Deutschland illegal, solange diese aus der Hochzeit des kalten Krieges stammende Rechtsauffassung nicht überwunden wird. Daher tritt die Linke als einzige im Bundestag vertretene Partei für das Recht auf politische Streiks und auf einen Generalstreik ein.
Anrede…
Als innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die LINKE beschäftige ich mich vor allem mit den permanenten Angriffen von Regierungspolitikern wie Innenminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsminister Franz-Josef Jung auf das Grundgesetz und die demokratischen Grundrechte.
Ich will kurz auf die Militarisierung der Innenpolitik eingehen. Die Bundesregierung, vor allem die Union, fordert seit ihrem Amtsantritt, die Bundeswehr auch im Inland einzusetzen. Die Bundeswehr war schon häufig im Einsatz, sei es bei der Fußball-WM oder beim Bush-Besuch. Schon diese Einsätze hielten wir für sachlich überflüssig und rechtlich fragwürdig. Beim G8-Gipfel haben wir jetzt gesehen, wohin die Entwicklung wirklich geht. Die Bundeswehr hat direkt polizeiliche Maßnahmen durchgeführt. Spähpanzer haben die Verkehrsströme nach Demonstranten ausgeforscht, Tornados der Luftwaffe sind mehrfach über die Protestcamps gerast und haben dabei Hunderte von Bildern geschossen. Die Qualität dieses Einsatzes noch mit Gulaschkanonen zu vergleichen, wie das die Bundesregierung versucht, ist absurd. Die Bundeswehr hat obrigkeitliche Aufgaben der Polizei unterstützt und dadurch selbst an der Ausübung hoheitlicher Gewalt im Inland teilgenommen. Mit „Amtshilfe“ hat das nichts mehr zu tun. In unseren Augen ist dies ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz, das solche Inlandseinsätze der Bundeswehr verbietet.
Machen wir uns nichts vor: All diese offiziell im Namen der Terrorismusbekämpfung geplanten oder bereits durchgeführten Gesetzesänderungen richten sich letztlich auch – und vor allem! – gegen soziale Protestbewegungen und damit gegen die Kampfkraft der Gewerkschaften. Ich frage mich: wie lange wird es noch dauern, bis Soldaten als Streikbrecher eingesetzt werden? Oder Kundgebungen des DGB mit Tornados beobachtet werden?
Anrede…
Um solche Angriffe auf die Grundrechte abzuwehren, um die sozialen Errungenschaften zu verteidigen und auszuweiten, reicht es nicht, wenn die LINKE im Bundestag dagegen ist. Wir müssen innerhalb und außerhalb des Parlaments aktiv werden.
Die Linke sieht die Gewerkschaften dabei nicht als außerparlamentarisches Standbein und Stimmvieh für Wählerstimmen. Die Linksfraktion versteht sich im Gegenteil als Partnerin der Gewerkschaften und der außerparlamentarischen sozialen Bewegungen. Sie ist angetreten, um den abhängig Beschäftigten wieder eine Stimme im Bundestag zu geben und damit den politischen Gegendruck gegen die neoliberale Regierungspolitik zu erhöhen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine erfolgreiche Konferenz.