Mit einer skandalösen Trickserei haben Bundesregierung und Koalition einen neuerlichen Eingriff in die Bürgerrechte durchs Parlament gemogelt. Im Innenausschuß des Bundestages stand das Bundespolizeigesetz zur Beratung an. Dabei ging es um die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Übermittlung von Passagierdaten bei Flügen aus Drittstaaten in das Gebiet der Europäischen Union. Wie jetzt bekannt wurde, schob die Koalition am 14. November, kurz vor der Innenausschußsitzung, den Abgeordneten einen Änderungsantrag unter, mit dem die Speicherfrist für Videoaufnahmen der Bundespolizei von 48 Stunden auf 30 Tage ausgedehnt wurde. Zu der Überrumpelungstaktik gehörte, daß dieser Punkt in keiner Weise thematisiert wurde. Die Opposition konzentrierte sich in ihrer Kritik daher auf die von Linksfraktion, FDP und Grünen abgelehnte Weitergabe der Fluggastdaten.
Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz rechtfertigte das Vorgehen der Koalition am Dienstag im Deutschlandradio. Dagegen sprach der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar von einer »Nacht-und-Nebel-Aktion«. In einem »Blitzverfahren« sei die Videoüberwachung ausgedehnt worden. Die Linksfraktion kündigte gestern an, dies erneut zum Thema im Bundestag zu machen. Das »Hintergehen des Parlaments« sei nicht zu akzeptieren. In einem Schreiben an den Innenausschuß verlangte die Linke, künftig eine Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen einzuführen, damit genug Zeit sei, um diese noch ernsthaft zu prüfen.
Der Haushalt des Bundesinnenministeriums, über den am Donnerstag im Plenum des Bundestags debattiert wird, ist durch den fortgesetzten Marsch in den Überwachungsstaat gekennzeichnet. Schilys Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) läßt die Software für heimliche Onlinedurchsuchungen (»Bundestrojaner«) weiterentwickeln, obwohl es für diese Maßnahme gar keine Rechtsgrundlage gibt. Zwei Drittel des Innenetats fließen in den Bereich »Sicherheit«, insgesamt 3,3 Milliarden Euro. Das ist eine Steigerung um 270 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr, während im sozialen Bereich gespart wird. Die Trennung von Polizei und Geheimdiensten ist praktisch schon aufgehoben. Das Bundeskriminalamt soll zu einer Art Geheimpolizei ausgebaut werden und mit nachrichtendienstlichen Methoden arbeiten dürfen. Beim Bundesverwaltungsamt plant Schäuble die Einrichtung eines Abhörzentrums.
Die Linksfraktion hält diese Verwendung der 270 Millionen Euro für völlig verfehlt und verlangt statt dessen ein Sofortprogramm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, da von den Neonazis und Rassisten die größte Gefahr für die Sicherheit ausgehe. Mit Änderungsanträgen zum Innenetat fordert die Linksfraktion, endlich die vom Bundestag schon vor Jahren gewünschte Beobachtungsstelle gegen rechts zu schaffen. Ferner soll eine ausreichende Finanzierung von Sprachkursen für Neuzuwanderer sichergestellt werden. Sogar nach einem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten besteht hier ein Mehrbedarf von 60 Millionen Euro; die Koalition stellt aber nur zusätzliche 14 Millionen Euro zur Verfügung. Nach Auffassung der Linksfraktion soll auch Geduldeten und Asylsuchenden der Besuch dieser Kurse ermöglicht werden.
Einsparmöglichkeiten sieht die Linksfraktion bei den Mitteln für »Gesichtserkennungsprogramme« des BKA. Diese seien zu streichen, zumal der Feldversuch am Hauptbahnhof Mainz sich als großer Flop und Geldverschwendung entpuppt habe.
von Ulla Jelpke