Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Präsidentin,
in den irakischen Städten und den ländlichen Regionen tobt die Gewalt. Auch im Norden des Landes breitet sich Gewalt gegen Minderheiten aus. Dort werden vor allem Jeziden immer wieder Opfer von Anschlägen. Wie zu Zeiten Saddam Husseins müssen sie ihre Dörfer verlassen, um in den nördlicheren Städten Schutz zu suchen. Der andauernde Terror hat dazu geführt, dass es an der Universität von Mosul inzwischen keine jezidischen Studentinnen und Studenten mehr gibt.
Noch dazu droht im Norden des Landes ein regelrechter Krieg zwischen der türkischen Armee und der PKK.
Vier Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht. Zwei Millionen davon suchen im benachbarten Ausland Zuflucht. Wie heute ein Sprecherin der EU-Kommission mitteilte, gibt es immer wieder neue Wellen von Flüchtlingen, die das Land verlassen wollen.
In den Nachbarstaaten des Irak geraten die Flüchtlinge immer stärker unter Druck. Im Libanon werden sie mittlerweile in Beugehaft genommen, um die Ausreise zu erzwingen. Syrien, das immerhin schon 750.000 Flüchtlinge beherbergt, nimmt keine Irakerinnen und Iraker mehr auf. Diese Länder fühlen sich außerdem von den westlichen Staaten, auch der Europäischen Union, im Stich gelassen.
Sehr geehrte Kollegen,
Und tatsächlich werden sie auch im Stich gelassen. Die EU-Kommision hat zwar heute beschlossen, 50 Millionen Euro im kommenden Jahr bereitzustellen. Aber wir wollen nicht vergessen, wer die Hauptverantwortung für die elenden Zustände im Irak trägt: Das sind diejenigen Staaten, die das Land im Jahr 2003 ohne Grund angegriffen und besetzt haben, und es sind diejenigen, die den Krieg logistisch unterstützt haben. Dazu gehört auch die Bundesrepublik. Das ist ein Grund, warum die Bundesregierung jetzt wenigstens den irakischen Flüchtlingen helfen muss. Das ist das Ziel unseres Antrages.
Sehr geehrte Damen und Herren,
das angesprochene finanzielle Engagement der EU reicht nicht aus. Es kommt einerseits viel zu spät. Andererseits nimmt die Europäische Union nur eine verschwindend geringe Zahl an Flüchtlingen selbst auf. Auch die Bundesregierung sperrt sich dagegen, in Kooperation mit dem UNHCR besonders schutzbedürftige Flüchtlinge nach Deutschland zu holen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage zu dieser Problematik sagt die Bundesregierung: wenn wir gezielt irakische Flüchtlinge holen, dann führt das zu einer Sogwirkung.
Kolleginnen und Kollegen,
Was heißt denn Sogwirkung? Sinn des Flüchtlingsschutzes ist es, dass Menschen Schutz vor Gewalt und Verfolgung finden, und da kann man doch nicht argumentieren: Nein, wir wollen keinen Schutz anbieten, sonst kommen womöglich Schutzbedürftige. Das ist absurd, menschenverachtend und zynisch.
Es ist traurig, dass man dem Bundesinnenminister diese banale Wahrheit immer und immer wieder sagen muss. Auch während der EU-Ratspräsidentschaft hat es die Bundesregierung abgelehnt, sich an einem Aufnahmeprogramm für irakische Flüchtlinge zu beteiligen.
Dabei stehen wir mit dieser Forderung nicht allein. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat sich Anfang November ganz klar für solche Aufnahmeprogramme ausgesprochen. Auch dazu war von der Bundesregierung keine Stellungnahme zu hören.
Meine Damen und Herren,
ich komme noch auf einen letzten Punkt zu sprechen. Nach drei Jahren wird bei jedem anerkannten Asylbewerber geprüft, ob die Gründe seiner Flucht noch bestehen.
Dabei kennen die Behörden offenbar kein Pardon. Bis Ende September wurden 4679 Widerrufsverfahren gegen irakische Flüchtlinge eingeleitet. Das sind mehr als im gesamten Jahr 2006. Seit Beginn des Kriegs im Irak gab es insgesamt 26.000 Widerrufsverfahren. Auf dem Höhepunkt, im Jahr 2004, führten fast 7.000 Verfahren zu einem Widerruf des Asyl- oder Flüchtlingsstatus. Das war nicht nur ignorant gegenüber den Verhältnissen im Irak. Es sollte ganz klar weitere Flüchtlinge davon abschrecken, nach Deutschland zu kommen.
Zum Glück enden seit Mai nur noch wenige dieser Verfahren mit dem Widerruf der Asylanerkennung. Aber es ist doch klar, dass die Betroffenen durch dieses ganze Verfahren in Unsicherheit gestürzt werden. Diese bürokratische Schikane ist eine reine Beschäftigungsmaßnahme für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wir fordern: nutzen Sie diese Ressourcen für die Aufnahme und die angemessen Betreuung von Flüchtlingen!