Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung teilweise außer Kraft gesetzt. In einer am Mittwoch veröffentlichten Eilentscheidung, die bereits am 11. März ergangen ist, schränkten die Richter die Weitergabe gespeicherter Verbindungsdaten erheblich ein. Die Anträge von acht Bürgern auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hatten damit teilweise Erfolg.
Seit Anfang des Jahres sind Anbieter von Telekommunikationsdiensten verpflichtet, lückenlos zu speichern, wer wann mit wem telefoniert oder E-Mails ausgetauscht hat. Bei Handynutzern wird zusätzlich der Aufenthaltsort erfaßt. Die Bundesregierung argumentiert, sie müsse eine EU-Richtlinie umsetzen. Die Daten müssen ein halbes Jahr lang aufbewahrt werden und können von staatlichen Behörden zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten, der Abwehr »erheblicher Gefahren« für die öffentliche Sicherheit abgerufen werden; auch die Geheimdienste haben Zugriff. Dagegen wurden über dreißigtausend Verfassungsbeschwerden erhoben – die größte Klagewelle in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts. Hierüber wird es erst noch eine mündliche Verhandlung und dann ein abschließendes Urteil geben. Nach der jetzt veröffentlichten Eilentscheidung ist klar, daß das Gesetz keinesfalls als verfassungsgemäß angesehen werden wird. Ob es aber vollständig oder nur teilweise aufgehoben werden wird, läßt sich noch nicht ablesen. Die Richter betonten allerdings, daß »die umfassende und anlaßlose Bevorratung sensibler Daten über praktisch jedermann für staatliche Zwecke« zu einer »möglicherweise irreparablen individuellen Beeinträchtigung« führen könne. Bis zu einer endgültigen Entscheidung, die zum Jahresende erwartet wird, hat das Gericht festgeschrieben: Es darf gespeichert werden, aber die gespeicherten Daten dürfen nur bei schweren Straftaten (wie etwa Mord) verwertet werden. Ihre Verwendung zur Verfolgung leichterer und mittlerer Straftaten wurde als so schwerwiegender Grundrechtseingriff angesehen, daß dieser Teil des Gesetzes sofort gestoppt worden ist. Daher ist zu erwarten, daß in der Hauptsacheentscheidung auch noch die restlichen Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung gekippt werden.
Die erste Runde in der gerichtlichen Auseinandersetzung ist jedenfalls mit einer erneuten Niederlage der Bundesregierung und vor allem von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ausgegangen. In letzter Zeit hat das höchste deutsche Gericht wiederholt die Gesetzgebung korrigieren müssen, so zuletzt vor einer Woche hinsichtlich zweier Landesgesetze zum automatischen Kfz-Kennzeichen-Screening.
Wolfgang Neškovic von der Partei Die Linke warf der Bundesregierung vor, mit ihrem Gesetz »weit über die zugrunde liegende EU-Richtlinie hinausgegangen« zu sein. Sie habe zudem »zum wiederholten Mal die bestehende verfassungsrechtliche Rechtssprechung zum Grundrechtsschutz mißachtet.« Darin liege auch ein persönliches Versagen von Bundsjustizministerin Zypries. Die von Datenschützern erhobene Rücktrittsforderung sei deshalb »mehr als gerechtfertigt.«