Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur automatischen Erfassung von Autokennzeichen haben Schleswig-Holstein und Hessen die Überwachungsmaßnahmen am Mittwoch gestoppt. Dort wurden bislang per Videokamera Kennzeichen erfaßt, gespeichert und mit Polizeidateien abgeglichen. Hiergegen hatten drei Autofahrer geklagt. Die Karlsruher Richter nannten das am Dienstag einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wofür eindeutige und enge Begrenzungen verlängern. Die Länderregelungen hätten jedoch »weder den Anlaß noch den Ermittlungszweck« für die Überwachung benannt. Dadurch sei es möglich gewesen, Bewegungsprofile von jedermann zu erstellen. Eindeutig erklärten die Verfassungsrichter, daß es nicht genüge, einfach nur den Abgleich mit dem »Fahndungsbestand« als Zweck der Überwachung anzugeben – vor allem, weil dieser Bestand innerhalb des EU-Raums kaum rechtlich geregelt ist.
Der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) kritisierte am Mittwoch das Gericht. Das Verbot der »Rundum-Erfassung« erschwere die Kriminalitätsbekämpfung. Sein schleswig-holsteinischer Kollege Lothar Hay (SPD) hingegen interpretierte die Entscheidung als »Mahnung und Auftrag zugleich, die Bürgerrechte stärker zu gewichten«. Er kündigte an, das Polizeigesetz nicht anzupassen, sondern auf die Kennzeichenerfassung komplett zu verzichten. Die kritisierte Praxis gibt es außerdem in Bayern, Hamburg, Bremen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen erarbeiten derzeit entsprechende Gesetze.
Aus Niedersachen, Bayern und Brandenburg hieß es am Mittwoch, die dortigen Polizeigesetze entsprächen bereits den Leitlinien des Verfassungsgerichtes. Dieses verlangt, daß die Kennzeichen bei Negativtreffern sofort gelöscht werden. Außerdem müsse klar definiert werden, welchem Zweck die Überwachung dienen solle und mit welchen Daten die Kennzeichen abgeglichen werden. Diesen Aspekt der Zweckbindung betont das Gericht schon seit Jahren. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht deshalb auch die Vorratsdatenspeicherung, gegen die Zehntausende Bürger Verfassungsbeschwerde eingereicht haben, auf der Kippe. In der Passauer Neuen Presse sagte er: »Ich gehe davon aus, daß hier die gleichen Kriterien gelten wie bei der jüngsten Entscheidung: Eine Datenspeicherung ins Blaue hinein darf es nicht geben.«