Beim Rat der Innen- und Justizminister der EU am Freitag in Luxemburg hat die EU-Kommission Mängel im europäischen Asylsystem eingeräumt. Ausschlaggebend für ihr Urteil ist vor allem, daß die Anerkennungsquoten für Flüchtlinge in den EU-Staaten weit auseinanderliegen. Die Kommission appellierte zugleich an Griechenland, die EU-Richtlinien über Unterbringung und Anerkennungsverfahren für Asylsuchende vollständig umzusetzen. Bereits im vergangenen Herbst war die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl zu dem Ergebnis gekommen, daß die Rechte von Flüchtlingen durch Griechenland massiv verletzt werden. Die Küstenwache behindere sie massiv an der Überfahrt von der Türkei aus, setze die Flüchtlinge auf Inseln aus und zerstöre ihre Boote. In Griechenland selbst würden sie unter teils menschenunwürdigen Bedingungen leben, das Asylverfahren unterlaufe alle geltenden Standards. Auch der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) hat deutliche Kritik an der griechischen Praxis geübt.
Daraus hat als erstes Land Norwegen Konsequenzen gezogen und schiebt keine Asylbewerber mehr nach Griechenland zurück. Nach der »Dublin II«-Verordnung ist immer der Staat für das Asylverfahren zuständig, der die Einreise eines Flüchtlings in die EU zugelassen hat. Diese Verordnung gilt auch für den Nicht-EU-Staat Norwegen, der sich wie Island am Dublin-System beteiligt. Flüchtlinge, die innerhalb des Dublin-Raums weiterreisen, werden in den Ankunftsstaat zurückgeschoben. Die Dublin-Staaten haben allerdings über eine sogenannte Souveränitätsklausel das Recht, ein Asylverfahren an sich zu ziehen. Von dieser Klausel macht Norwegen seit dem 7. Februar 2008 Gebrauch. In der Mitteilung der zuständigen Behörde wird ganz unmißverständlich auf die Verletzung der Flüchtlingsrechte in Griechenland hingewiesen. Auch von Belgien wird es nach einem Gerichtsurteil keine Dublin-Überstellungen nach Griechenland mehr geben.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) dagegen will unbeirrt auch weiterhin nach Griechenland abschieben. Die Bundesregierung sehe keine Veranlassung, von Überstellungen dorthin abzusehen, heißt es. Im Gegenteil, selbst bei irakischen Asylbewerbern gibt es keine Ausnahme. Ihnen droht in Griechenland die Abschiebung zurück in den Irak (über die Türkei)– ein eindeutiger Verstoß gegen das Zurückweisungsverbot der Genfer Flüchtlingskonvention.
Daher hat sich am 21. Februar dieses Jahres Pro Asyl in einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt und ihn aufgefordert, folgende Empfehlung zu beschließen: »Die Bundesregierung wird ersucht, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anzuweisen, keine Abschiebungen nach Griechenland im Rahmen der europäischen Dublin-II-Verordnung anzuordnen und statt dessen die Zuständigkeit für die Asylverfahren an sich zu ziehen.« Dieser Forderung hat sich auch der UNHCR angeschlossen. Pro Asyl führt in seiner Petition aus: »Ein Rückzug auf die formale Position, man sei nicht zuständig, ist aus menschenrechtlicher Sicht nicht zulässig.« Die Mehrheit im Bundestag ist bisher leider nicht bereit, diesem Maßstab zu folgen. Und Innenminister Schäuble stellt derweil auf Durchzug: »Wenn Zweifel an der Wahrung der Menschenrechte bestünden, müßte sich die gesamte EU damit beschäftigen.«
Diese Zweifel bestehen durchaus– aber leider beschäftigt sich die EU bislang nur sehr zaghaft damit.