Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verfolgt in der Flüchtlingspolitik einen widersprüchlichen Kurs. Damit trug er dazu bei, daß auf der gestrigen EU-Innenministerkonferenz in Brüssel kein Beschluß über die Aufnahme irakischer Flüchtlinge in Europa zustande kam. Schäuble hatte noch am Dienstag für ein solches Engagement der EU plädiert, das er allerdings auf Christen beschränkt wissen wollte. Als aber der irakische Premierminister Nuri Al-Maliki gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) behauptet hatte, dem Land könnten beim Wiederaufbau wichtige Fachkräfte fehlen, schwenkte Schäuble um und setzte sich in Brüssel für eine Vertagung des Themas ein.
Noch am Dienstag war Schäuble von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl darin bestärkt worden, seine beim letzten EU-Rat in Luxemburg vertretene Position konsequent weiter zu verfolgen. Auch die Kirchen traten angesichts der Not von fünf Millionen Irak-Flüchtlingen für ein Aufnahmeprogramm der EU ein, während sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im rbb inforadio gegen die Aufnahme von Moslems aussprach; dafür sehe er »überhaupt keinen Anlaß«. Die Linke im Bundestag forderte sofortige Hilfe für alle Schutzbedürftigen unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft. Die Beschränkung der Hilfe auf christliche Flüchtlinge wurde auch von mehreren EU-Staaten abgelehnt, so daß eigentlich die Voraussetzungen für ein positives Signal aus Brüssel vorhanden waren.
Die französische Ratspräsidentschaft präsentierte demgegenüber einen Beschlußvorschlag, wonach die EU-Mitgliedsstaaten selbst über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden sollen. Bis Ende 2008 soll die EU-Kommission über die weitere Entwicklung berichten. Eine Lösung des Flüchtlingsproblems wurde somit auf die lange Bank geschoben. Das dürftige Ergebnis der Innenministertagung: Die EU entsendet Beobachter in die Region, um die Lage im Irak zu bewerten.
Die Linkspartei forderte in einer Presseerklärung Schäuble auf, den Antrag auf Vertagung zurückzunehmen und sich für eine sofortige Aufnahme von Flüchtlingen einzusetzen. Daß es nun Rückkehrprogramme aus Syrien und Jordanien gebe, habe nichts mit einer verbesserten Sicherheitslage nichts zu tun. Durch die Massenausweisungen aus den irakischen Nachbarstaaten werde sich die Auseinandersetzung um Ressourcen im Irak noch einmal verschärfen. Daher werde es auch weiterhin notwendig sein, besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aufzunehmen.
Wie widersprüchlich Bundesinnenminister Schäuble agiert, zeigt auch die Abschiebung des 21jährigen Mark Raad Matt-Hannoussi aus Basra am Montag nach Griechenland. Der junge Mann war über Athen in die EU eingereist, so daß laut Dubliner Abkommen formal Griechenland für sein Asylverfahren zuständig ist. Dort sind die Voraussetzungen für ein faires Verfahren aber derzeit nicht erfüllt. Sogar der Petitionsausschuß des Bundestags votierte daher für einen Verbleib des Irakers in Deutschland. Das Bundesinnenministerium kümmerte all das nicht.