Die europäische Polizeibehörde Europol soll zu einem Instrument der EU-Außenpolitik werden. Die Bundesregierung bestätigte am Mittwoch in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, daß Europol in Zukunft einen engen Informationsaustausch mit sogenannten »zivilen Missionen« der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) pflegen wird. Damit setzt sich der Trend, Aufgaben der inneren und äußeren Sicherheit zu vermischen, weiter fort. »Zivile« ESVP-Einsätze finden derzeit beispielsweise auf dem Balkan und in Afghanistan statt. Es handelt sich in der Regel um Ausbildungs- und Unterstützungsmaßnahmen für die dortigen, einheimischen Polizeikräfte. Die Zusammenarbeit mit Militärs bzw. Besatzungsarmeen ist dabei im Selbstverständnis der ESVP fest verankert. »Interne und externe Sicherheitsaspekte«, behauptet auch die Bundesregierung in ihrer Antwort, seien »nicht mehr eindeutig voneinander zu trennen«.
Daher soll künftig auch Europol seinen Teil dazu beitragen, die außenpolitischen Ansprüche der EU durchzusetzen. Im Gegenzug können Erkenntnisse aus der Besetzung etwa Afghanistans in die hiesige Polizeiarbeit einfließen. Diese Entwicklung vollzieht sich nicht in spektakulären Sprüngen, sondern Schritt für Schritt. Vor wenigen Wochen, so wurde nun bestätigt, trat eine Verwaltungsvereinbarung in Kraft, die Europol dazu ermächtigt, nichtpersonengebundene Daten mit »zivilen« ESVP-Projekten auszutauschen. Dadurch sollen die Lageberichte von Europol »angereichert« werden, so die Bundesregierung.
Besonders erschreckend ist die Absicht, auch personengebundene Informationen, also konkrete Angaben zu einzelnen Verdächtigen, in den Austausch einzubeziehen. Diese Möglichkeit soll bis Jahresende »geprüft« werden, beschlossen die EU-Innen- und Justizminister bereits im Juni. Die Bundesregierung hält sich hier bedeckt: Einerseits »begrüßt« sie den Ratsbeschluß, andererseits führt sie aus, »zur Zeit keine Notwendigkeit« hierfür zu sehen. Die endgültige Position hält sie sich offen: Zunächst gelte es, den Austausch der nichtpersonengebundenen Daten vorzunehmen und zu evaluieren – wann und durch wen das geschehen soll, wird nicht mitgeteilt. Ohnehin weist die Bundesregierung jegliche Verantwortung von sich: Was Europol dürfe und was nicht, das werde in Verwaltungsabkommen EU-intern geregelt und bedürfe weder der Zustimmung des EU-Rates noch des Bundestages.
Dabei stehen spätestens beim Austausch personengebundener Informationen der Datenschutz und der Rechtsgrundsatz der Zweckbindung zur Disposition. Angaben, die zur Kriminalitätsbekämpfung im Inland erhoben werden, dürfen nicht für ganz andere Zwecke, wie etwa außenpolitische Interessen, verwendet werden. Fragen hierzu weicht die Bundesregierung aus.
Unter Aspekten des Datenschutzes ist vor allem brisant, daß es auf seiten der sogenannten zivilen ESVP-Missionen überhaupt keinen solchen gibt. Zwar sei, so die Regierung, Europol an einschlägige Bestimmungen aus dem europäischen Polizeiübereinkommen gebunden, aber wer bei den »zivilen« ESVP-Kräften den Datenschutz kontrollieren soll, bleibt offen. So gibt es etwa beim Einsatz in Kabul weder einen Beauftragten dafür noch sonst eine Kontrollinstanz, die verhindern könnte, daß der »Missionschef« bei seinen Lagebesprechungen mit NATO-Generälen und afghanischen Behörden sensible Informationen übermittelt.
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