Nach einer am Montag veröffentlichten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ist eine Einbürgerung in bestimmten Fällen auch dann noch möglich, wenn der Antragsteller wegen einer Straftat verurteilt worden ist. Das Gericht hob den ablehnenden Bescheid einer Behörde auf, die einem seit 26 Jahren in Deutschland lebenden Inder den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verweigert hatte, weil dieser im März 2007 wegen Steuerdelikten eine Geldstrafe bezahlen mußte. Der Taxiunternehmer aus dem Rheingau hatte einen schweren Verkehrsunfall erlitten, wodurch er zu hundert Prozent schwerbehindert ist. Dies hätte im Einbürgerungsverfahren als besondere Härte anerkannt werden müssen.
Das Verwaltungsgericht rügte ferner, daß auch die familiären Umstände nicht berücksichtigt worden seien. Der Inder ist mit einer Deutschen verheiratet und hat mit ihr zwei Kinder. Im Hinblick auf die vom Gesetz gewünschte einheitliche Staatsangehörigkeit der Familie könne bei der Einbürgerung vom Prinzip der Straffreiheit abgesehen werden, urteilten die Richter.
Unabhängig von diesem Einzelfall übten UN-Experten am Montag erhebliche Kritik an der Einbürgerungspraxis in Deutschland. In einem in Genf vorgelegten Lagebericht des UN-Komitees zur Beseitigung von Rassismus (CERD) wurden mehr als zwanzig Beschwerdepunkte aufgeführt. Insbesondere die Fragebögen, die Einbürgerungswillige in manchen Bundesländern beantworten müßten, seien teilweise diskriminierend.
Als Mitgliedsstaat der Internationalen Konvention zur Abschaffung von Rassismus ist Deutschland verpflichtet, regelmäßige Auskunft über Maßnahmen gegen Rassismus zu geben. Eine Delegation der Bundesregierung, darunter Vertreter des Innen-, Justiz- und Familienministeriums, hatte in der vergangenen Woche in Genf während zweitägiger Beratungen Fragen der UN-Experten beantwortet.
In seinem Bericht verurteilte das UN-Komitee die anhaltenden gewaltsamen Übergriffe auf Muslime und Juden sowie Sinti und Roma in Deutschland. Auch Menschen mit dunkler Hautfarbe würden häufig angegriffen. Es fehle aber an Statistiken, mit denen die gewaltsamen Übergriffe genauer aufgeschlüsselt werden könnten. Angemerkt wurde ferner, daß deutsche Gesetze es Vermietern erlauben würden, bei der Vergabe von Wohnungen eine diskriminierende Auswahl zu treffen.
Als »eine Schande für die Bundesregierung« bezeichnete die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag, Sevim Dagdelen, den UN-Bericht. Das Papier zeige, »daß die Bundesregierung nach wie vor weder über eine Gesamtstrategie gegen Rassismus noch gegen die steigende Zahl rassistischer und rechtsextremer Straf- und Gewalttaten verfügt«, erklärte Dagdelen am Montag in Berlin.
Ebenfalls als »rassistisch« wurde in einer weiteren Pressemitteilung der Fraktion Die Linke im Bundestag die »Visa-Warndatei« bewertet, die die Koalition Medienberichten zufolge nach der Sommerpause einführen will. »Mit dieser Datei wird ohne Not eine weitere Datensammlung über unbescholtene Bürgerinnen und Bürger angelegt«, hieß es bei der Linken. »Wie weit sind denn der Rechtsstaat und der Datenschutz degeneriert, wenn es heute schon ausreicht, einfach nur einen Ausländer einzuladen, um bereits die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu ziehen und gespeichert zu werden?« Eine solche »schwarze Liste der Ausländerfreunde« atme eindeutig rassistischen Geist. Um einige Schleuser aufzudecken, wolle die Bundesregierung dem überwiegenden Teil der Bevölkerung mit Generalverdacht und Mißtrauen begegnen. Die SPD mache gleich noch den nächsten Schritt und erkläre sich bereit, auch den Sicherheitsbehörden Einsichtnahme in die »Warndatei« zu gestatten, hieß es.