In der südbrandenburgischen Stadt Guben tritt ein Neonazi für die NPD zur Kommunalwahl an, der einen Asylbewerber zu Tode gehetzt hatte. Im Februar 1999 hatten elf Jugendliche den Algerier Omar Ben Noui durch die Stadt getrieben, bis dieser in Todesangst durch eine Glastür sprang und an seinen Verletzungen verblutete. Alexander Bode wurde als Rädelsführer der Hatz zu zwei Jahren Jugendhaft verurteilt. Jetzt will der heute 29jährige für die NPD in den Stadtrat von Guben und den Kreistag Spree-Neiße. Gegen Bode und einen weiteren NPD-Kandidaten in Guben wird augenblicklich erneut wegen Körperverletzung ermittelt, bei zwei weiteren Kandidaten laufen Ermittlungen wegen des Verdachts, rechtsextreme Parolen auf Wände gesprüht zu haben.
Ein Einzelfall ist der Antritt eines bekannten Gewalttäters für die NPD nicht. So kandidiert mit Norman Bordin ein Schwergewicht der bundesdeutschen Naziszene, der unter anderem eine 15monatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung wegen Körperverletzung und versuchter Körperverletzung im Zusammenhang mit dem Überfall auf einen Griechen verbüßt hat, für den bayerischen Bezirkstag. Offenbar hält es die NPD nicht mehr für nötig, sich hinter der Maske respektabler Biedermänner als Protestpartei der »kleinen Leute« zu verbergen. Offen zeigt sie ihre neofaschistische Fratze und hofft, dennoch oder gerade deswegen gewählt zu werden. Oder fehlt es den Neonazis schlicht an seriösem Personal?
Dieser Verdacht wird durch eine andere Skandalaffäre erhärtet, mit der die Nazipartei jüngst von sich hören machte. Ihr früherer Schatzmeister Erwin Kemna wurde am 12. September zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten wegen gewerbsmäßiger Untreue verurteilt. Kemna, der seit 34 Jahren NPD-Mitglied ist, hatte zwischen 2004 und Mitte 2006 ganze 741 250 Euro aus der Parteikasse auf eigene Privat- und Firmenkonten abgezweigt. Er habe gedacht, nachdem er der NPD immer »mit ganzer Kraft« gedient habe, müsse ihm die Partei in seiner Not auch einmal helfen, rechtfertigte Kemna, der Mitte September 2008 aus der NPD austrat, vor Gericht sein Handeln. Aufgrund der chaotischen Zustände in der Buchhaltung, wo Papierberge sich einen halben Meter hoch stapelten, war die Unterschlagung der Partei lange nicht aufgefallen.
Scheitert die NPD also an sich selbst, an der Unfähigkeit ihres eigenen Personals? Diese Hoffnung wird immer wieder von seiten anderer Parteien und der bürgerlichen Presse geäußert. Auch die Erfahrungen mit Fraktionen der neofaschistischen Deutschen Volksunion (DVU) in ostdeutschen Landtagen scheint diese Hoffnungen zu bestätigen. Schnell zersplitterten diese Fraktionen, ihre Mitglieder waren in zahlreiche Skandale unpolitischer und krimineller Art verwickelt, und der Spuk verschwand bei der nächsten Landtagswahl.
Rechte Populisten und Autonome
In den nächsten anderthalb Jahren findet eine ganze Reihe von Wahlen statt, in denen die NPD zeigen muß, ob sie ihre bisherige Position im Osten Deutschlands halten und ausbauen kann und den Sprung in den Westen der Republik schafft. Immerhin waren die Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen für die NPD bereits enttäuschend ausgegangen. Erstmals seit Anfang der siebziger Jahre tritt die NPD jetzt in Bayern flächendeckend zur Landtagswahl am 28. September an. Mit über 1000 Mitgliedern ist Bayern noch vor Sachsen der mitgliederstärkste Landesverband. Obwohl in Bayern laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung mit 14,3 Prozent der bundesweit höchste Anteil von Menschen mit »geschlossenem rechtsextremen Weltbild« lebt, können die Neofaschisten kaum mit einem Einzug in den Landtag rechnen. Noch immer bindet die CSU große Teile des offen rechtsextremen Wählerpotentials, und mit den schon alteingesessenen Republikanern kandidiert zudem eine nicht mehr im Verfassungsschutzbericht aufgeführte rechtspopulistische Konkurrenz. So nutzt die NPD den Wahlkampf vor allem, um sich über Plakate, Infostände und Saalveranstaltungen in den kleineren bayerischen Städten bekannt zu machen und die Bevölkerung an die scheinbare Normalität rechtsextremer Positionen zu gewöhnen. Während also die Bayernwahl vor allem zum außerparlamentarischen Parteiaufbau genutzt wird, dürfte sich im kommenden Jahr bei den sächsischen Landtagswahlen am 30. August 2009 zeigen, ob die NPD ihren Erfolg des Jahres 2004 mit 9,8 Prozent der Stimmen wiederholen kann.
Gerade im Flächenland Nordrhein-Westfalen, wo im Juni 2009 Kommunalwahlen stattfinden, wird die NPD sowohl auf Wahlebene als auch außerparlamentarisch herausgefordert. Ausgehend von der extrem rechten Kölner Stadtratsfraktion »Pro NRW« etabliert sich augenblicklich die Bürgerbewegung selben Namens als rechtspopulistische Anti-Islam-Protestbewegung im gutbürgerlichen Mäntelchen. Die Einschätzung des Landesverfassungsschutzes, wonach die Pro-Bewegung im Westen Deutschlands größere Chancen habe als die NPD, erscheint hier auf kommunaler Ebene realistisch. Mit ihrem von europäischen Rechtspopulisten und Rechtsextremisten getragenen Kölner Anti-Islam-Kongreß demonstriert die Pro-Bewegung ihren Führungsanspruch in NRW. Ob sie diesen noch aufrecht halten können, ist nach dem gescheiterten Kongreß fraglich.
Doch auch an ihrem »rechten Rand« kommt die NPD unter Druck durch die »Autonomen Nationalisten«. War es der NPD noch gelungen, weite Teile der außerhalb der Partei organisierten »Freien Kameradschaften« in ihre rechte »Volksfront« einzubinden, indem sie einigen Führungskadern Funktionärsposten innerhalb der NPD überließen, so erweisen sich die seit rund fünf Jahren aus dem Kameradschaftsspektrum entstandenen »Autonomen Nationalisten« zunehmend als unberechenbarer Faktor, der durch provokatives Auftreten als »schwarzer Block« und ihre offensive Militanz auch gegen Polizisten nicht in das von der NPD angestrebte Bild der »anständigen Deutschen« paßt. Mit der Erklärung »Unsere Fahnen sind schwarz – unsere Blöcke nicht« erklärte das NPD-Präsidium im August 2007 »derartige anarchistische Erscheinungsformen« auf ihren Versammlungen für unerwünscht. Vertreter des »Schwarzen Blocks« könnten für die breite Masse »unseres Volkes keine Sympathieträger« sein und »nicht glaubhaft mit ihrem Aussehen und Verhalten eine neue Ordnung vertreten, die deutsche Werte einfordert«. Diese Erklärung traf auf heftige Proteste der »Freien Kameradschaften« und von Teilen der eigenen Mitgliedschaft, die der NPD »reaktionäre Angepaßtheit« unterstellten. Die Kameradschaften, die nur zum Teil aus »autonomen Nationalisten« bestehen, machten insbesondere deutlich, daß der NPD als »vermeintlichen ›Speerspitze‹ des Nationalen Widerstandes keineswegs das Recht eingeräumt wird, festzulegen oder per Erklärung zu entscheiden, welche Gruppierungen der ›Volksfront‹ angehören dürfen und welche nicht«.
Zwar kritisierte der Parteivorsitzende Udo Voigt auch auf dem Bundesparteitag der NPD im Mai 2008 Anleihen der Rechtsautonomen aus der linken Szene wie die »geballte Kommunistenfaust« oder die Verwendung von Anglizismen. Doch andere Führungsfunktionäre wie Thomas »Steiner« Wulff und Jürgen Rieger haben längst das Potential der »autonomen Nationalisten erkannt, die zuletzt zum »nationalen Antikriegstag« am 6. September in Dortmund einen Großteil der rund 1300 Demonstrationsteilnehmer stellten.
Strukturelles Dilemma
Die in den 90er Jahren vollzogene Wandlung zur »dynamischen Bewegungspartei«, die zahlreiche Kader verbotener Neonazigruppierungen in sich aufnahm und ihr Programm in Richtung eines völkischen Antikapitalismus nationalrevolutionär ergänzte, ermöglichte der NPD den Aufstieg zur größten neofaschistischen Partei in Deutschland mit derzeit rund 7300 Mitgliedern. Fraglich ist jedoch, ob ein weiteres Wachstum der Partei so möglich ist. Dies drückt sich in internen Linienkämpfen und Personalstreitigkeiten aus. »Die derzeitigen Turbulenzen sind mehr als ein vorübergehendes Ärgernis, denn sie sind Ausdruck eines tieferliegenden strukturellen Mankos, das die NPD mindestens mittelfristig daran hindern wird, die Schwelle zur nächsten Phase in ihrer politischen Aufbauarbeit zu überwinden«, heißt es in einer aktuellen Analyse des »antifaschistischen pressearchivs und bildungszentrums berlin [apabiz]«. »Die NPD unter Udo Voigt ist so erfolgreich geworden, weil sie Bewegungspartei ist. Sie hat über die Einbindung von Rechtsrockfans, Schlägernazis und NS-Nostalgikern ihre Basis verbreitet und sich in die Lage versetzt, den ›Kampf um die Straße‹ führen zu können. Dieses Konzept stößt allmählich an seine Grenzen. Will die NPD langfristig tragfähige Strukturen aufbauen, muß sie sich weiter professionalisieren und flächendeckend über geschulte Kader verfügen.« Hier liegt das Problem. Denn während an Schlägern und lautstarken Hetzern offenbar kein Mangel besteht, fehlt es an zuverlässig arbeitenden und professionell agierenden Funktionären.
Der Bamberger Bundesparteitag der NPD Ende Mai stand für eine Beibehaltung des bisherigen Kurses. Dies zeigt die Wiederwahl von Voigt als Parteivorsitzenden mit 90 Prozent der abgegebenen Stimmen. Doch die Wahl Riegers zum stellvertretenden Parteivorsitzenden, die insbesondere der Abhängigkeit der Partei von den Immobilien und Geldern des Hamburger Rechtsanwalts geschuldet war, ist ein Affront gegenüber denjenigen Kräften in der NPD, die auf ein gutbürgerliches Image bedacht sind. Als »politische Katastrophe« bezeichnete etwa Vorstandsmitglied Andreas Molau die Wahl Riegers, der für einen offen neonazistischen Kurs ohne Distanz zu den autonomen Nationalisten steht.
Während Parteichef Voigt trotz verbaler Abgrenzung von den »Autonomen Nationalisten« für eine Integration der unterschiedlichen Parteiflügel und -konzepte steht, ist der Spagat zwischen militant neofaschistischer Bewegungspartei und parlamentarisch etablierter (Protest-)Partei in manchen Landesverbänden längst zum Dauerstreitthema geworden.
In Bayern forderten die extremistischeren Kräfte der Jungen Nationaldemokraten und fränkischen Funktionäre um den Würzburger Uwe Meenen die Landesführung offen heraus, als sie konkurrierend zum offiziellen »Bayerntag« der NPD zeitgleich einen »Frankentag« veranstalteten, zu dem sie Redner des Kameradschaftsflügels wie Wulff und Rieger einluden.
In Sachsen-Anhalt ging die parteiinterne Schlammschlacht dagegen zugunsten des bürgerlicher auftretenden Parteiflügels aus. So schmiß der Landesvorstand der NPD um Landeschefin Carola Holz Anfang September entnervt das Handtuch. Eine in der Rücktrittserklärung als »Liberale« titulierte Clique studentischer Karrieristen der Jungen Nationaldemokraten hatte den Kreis um Holz zuvor im Internet als »verstaubte Drittes-Reich-Nostalgiker ohne jeden Realitätsbezug« und als »Bande aus Legasthenikern, Alkoholikern und Schulabbrechern« bezeichnet, denen jede Kompetenz für die erfolgreiche Führung des nächsten Landtagswahlkampfs fehle. Unterstützung erhielt der weggemobbte Vorstand dagegen aus dem Kameradschaftsspektrum. Die »verbürgerlichten Kräfte innerhalb der NPD« hätten längst keine »nationale und soziale Alternative zum System« mehr, heißt es auf der Interneseite » Altenburg Freies Netz«.
Kameradschaften treiben NPD
Das fragile Verhältnis zwischen NPDlern aus der Kameradschaftsszene und der Mehrheit des Parteivorstandes zeigt die Affäre um die Beerdigung des Altnazis Friedhelm Busse am 26. Juli 2008. Am Grab des ehemaligen Waffen-SS-Mannes, späteren Rechtsterroristen und Bundesvorsitzenden der verbotenen Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP), der vor einigen Jahren als weiterhin bekennender »Nationalsozialist« in die NPD eingetreten war, hatten sich zahlreiche Neonazigrößen aus ganz Deutschland versammelt. Udo Voigt hielt die Trauerrede. Die Neonazis sangen das SS-Staffellied »Wenn alle untreu werden« mit. Anschließend breitete das frühere NPD-Bundesvorstandsmitglied Thomas Wulff eine Reichskriegsflagge mit großem Hakenkreuz auf dem Sarg im Grab aus.
Erst als Journalisten über den Fahnenvorfall berichteten und die Staatsanwaltschaft das Grab zur Sicherstellung der Fahne öffnen ließ, sah sich das NPD-Parteipräsidium zu einer Distanzierung gezwungen und erklärte: »Der Einsatz für ein sozial gerechtes Deutschland bedarf keiner Symbolik von Gestern.« Diese Erklärung sorgte für Empörung innerhalb der NPD. So hat Vorstandsvize Rieger Medienberichten zufolge der Erklärung widersprochen. Im Internetportal Altermedia hieß es: »Wir können solch billige und herabwürdigende Angriffe auf die freien Kräfte nicht hinnehmen und werden die Zusammenarbeit mit diesem Parteipräsidium beenden, falls es zu keiner Einigung hinsichtlich eines vernünftigen Verhaltens der NPD kommt.« Zu den Erstunterzeichnern dieses Papiers gehören der aus dem Kameradschaftsspektrum stammende Norman Bordin, zur Zeit stellvertretender JN-Bundesvorsitzender und Mitglied im bayerischen NPD-Landesvorstand, sowie die sich vor allem aus ehemaligen Kameradschaftsaktivisten rekrutierenden Jungen Nationaldemokraten in München.
Das Verhältnis der »freien Kameradschaften« zur NPD ist rein taktisch. Dies gilt auch für diejenigen Kameradschaftsaktivisten, die wie Bordin Funktionärsposten in NPD-Vorständen haben. Wenn die NPD in ihren Augen »verbürgerlicht« und »verbonzt«, sind sie jederzeit bereit, wieder auf Distanz zu gehen. Da die NPD als Bewegungspartei auf diese freien Kräfte angewiesen ist, bedeutet dies, daß die sich weiter radikalisierende Neonaziszene die Partei weiterhin vor sich herzutreiben vermag. So warnte der hessische Verfassungsschutzpräsident Alexander Eisvogel im August gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die NPD, »die über Jahre hinweg großen und teilweise auch disziplinierenden Einfluß auf die rechtsextremistische Szene innehatte, ist offenbar dabei, diesen zu verlieren«. Die Neonaziszene verselbständige sich derzeit; damit wachse auch die Gefahr rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten.
Leichter als mit freien Kameradschaften ist für die NPD der Umgang mit der Deutschen Volksunion als anderem Partner in der »rechten Volksfront«. Doch auch hier zeigt sich Spaltpotential. Im Anfang 2004 beschlossenen »Deutschlandpakt« hatten beide Parteien vereinbart, bei Wahlen nicht gegeneinander anzutreten, und die Bundesländer aufgeteilt. Die Abmachung soll eigentlich bis 2009 gelten. Doch scheinen Nachverhandlungen über die Aufteilung der Kandidaturen anzustehen. Schließlich hat die NPD die DVU mittlerweile an Mitgliedern überholt und sich eindeutig als die führende Kraft im neofaschistischen Lager herausgebildet. Im Unterschied zur DVU, die im wesentlichen ein vom Münchner Parteivorsitzenden Gerhard Frey abhängiger Verein von Zeitungsabonnenten ist, hat die NPD ihre Kampagnenfähigkeit in Wahlkämpfen unter Beweis gestellt.
Während die Europawahlen sowie die Landtagswahlen in Brandenburg der DVU überlassen bleiben, will die NPD entgegen der Absprache zur thüringischen Landtagswahl im Juni 2009 kandidieren. Zumindest das Forsa-Institut prognostiziert der NPD vier Prozent, so daß ein Sprung über die Fünfprozenthürde möglich erscheint. Die DVU ist dagegen bei Wahlumfragen in Thüringen kein Faktor mehr. Bei den sich abzeichnenden Nachverhandlungen zum Deutschlandpakt wird die NPD der DVU wohl anbieten, auf ihren Vorschlag in der Bundesversammlung DVU-Chef Gerhard Frey als Präsidentschaftskandidaten vorzuschlagen. »Persönlich würde ich mich freuen, wenn der Vorsitzende der DVU und Herausgeber der Nationalzeitung Herr Dr. Gerhard Frey kandidieren würde. Er ist sicherlich im gesamten nationalen Lager akzeptiert und in höchstem Maße ein respektabler Kandidat«, erklärte NPD-Generalsekretär Peter Marx im Juli 2008 gegenüber der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme. Damit wäre zumindest der Eitelkeit Freys geschmeichelt.
NPD-Verbot: V-Leute abschaffen
Gefährlich und illusorisch ist es auf jeden Fall, auf scheinbar selbstzerstörerische Kräfte innerhalb der NPD zu hoffen. Dies sahen auch 175445 Bürgerinnen und Bürger so, die im vergangenen Jahr einen von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN–BdA) initiierten Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags unterzeichneten, in dem diese aufgefordert werden, einen neuen Antrag zum Verbot der NPD in die Wege zu leiten. Angesichts des großen Zuspruchs der VVN-Kampagne erklärte auch die SPD in einem auf dem Hamburger Parteitag beschlossenen Grundsatzpapier, sie habe »keinen Zweifel, daß die NPD eine aggressiv-kämpferische Grundhaltung gegenüber unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung hat. Deshalb muß die NPD verboten werden«.
Auf Unionsseite stieß die von den Sozialdemokraten erhobene Forderung auf Ablehnung. Auf einer Innenministerkonferenz einigten sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und die Landesinnenminister dennoch auf die Einrichtung einer Länderarbeitsgruppe Rechtsextremismus, die bis Mitte April 2008 Material für das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages vorlegte. Demnächst wird im Innenausschuß des Bundestags ein Bericht über dieses Material zur Beratung vorgelegt. Schon jetzt wird deutlich, daß dieses fast ausschließlich von sozialdemokratischer Seite aus frei zugänglichen Quellen gesammelte Material zwar das Bild einer eindeutig verfassungswidrigen Partei zeichnet. Doch ein neues Verbotsverfahren läßt sich damit nicht einleiten, da es sich um »verseuchtes« Material handelt. Zu viele der zusammengetragenen Äußerungen und Artikel stammen offenbar von V-Leuten des Verfassungsschutzes innerhalb der NPD. Schon das erste NPD-Verbotsverfahren war unter anderem daran gescheitert, daß für das Bundesverfassungsgericht nicht mehr ersichtlich war, welche der verfassungswidrigen Äußerungen von V-Leuten und welche von echten NPDlern stammten. So hatte sich herausgestellt, daß einige der übelsten von der Bundesregierung im Verbotsverfahren angeführten antisemitischen Äußerungen von Wolfgang Frenz stammten. Dieser war nicht nur langjähriger Vizevorsitzender der NPD in NRW, sondern von 1962 bis 1995 V-Mann des Verfassungsschutzes. Das Bundesverfassungsgericht hatte daher deutlich gemacht, daß ein rechtzeitiges Abschalten der Spitzel in den Gremien der NPD Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches rechtsstaatliches Verbotsverfahren ist. Diese Bedingung wollen weder die Unionsinnenminister noch die Mehrzahl der sozialdemokratischen Innenpolitiker erfüllen. Ein erster Antrag der Linksfraktion zum Rückzug der Spitzel aus der NPD wurde im Mai 2008 im Bundestag abgelehnt. Jetzt hat die Linkspartei erneut einen Antrag »V-Leute in der NPD abschaffen« vorgelegt. Schließlich dienen diese Spitzel nicht der Aufklärung, sondern wirken als staatlich bezahlte Nazihetzer und manchmal sogar als Schwerkriminelle.
Es drängt sich der Verdacht auf, daß die Herrschenden die NPD gar nicht verbieten wollen, weil sie sie brauchen. Schon Franz Josef Strauß gab in bezug auf die Faschisten die Losung aus, daß man mit »Hilfstruppen« nicht zimperlich sein dürfe. Hilfstruppen, die bei Bedarf gegen die Linke losgelassen werden oder – wie vom italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi praktiziert – zur Not auch als Mehrheitsbeschaffer der bürgerlichen Rechten herhalten dürfen, um einen befürchteten Linksruck im Land zu verhindern. Und wenn Rechtsextreme und Rechtspopulisten unter den präkarisierten Opfern neoliberaler Regierungspolitik auf Stimmenfang gehen und damit der Linkspartei in einem Wählersegment Konkurrenz machen, daß die Sozialdemokratie schon längst verloren hat, dann kommt auch bei so manchem Sozialdemokraten klammheimliche Freude auf.