Am gestrigen Donnerstag begann der BND-Untersuchungsausschuß mit dem Teil seiner Beweisaufnahme, der für die Mitglieder der früheren SPD-Grünen-Bundesregierung am unangenehmsten werden könnte: Es geht um die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der USA und Großbritanniens im März und April 2003 gegen den Irak.
Bislang ist bekannt, daß zwei Geheimagenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) vor und während des Überfalls in Bagdad Späherdienste für die Amerikaner leisteten. Dies zeigt, wie unglaubwürdig die damaligen Behauptungen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und seines Außenministers Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) waren, Deutschland werde sich aus diesem Krieg heraushalten. Vielfach spricht man schon von einer »Kriegslüge«, mit der SPD und Grüne die Bundestagswahl 2002 gewonnen haben. Wegen dieser »Kriegslüge« gerät auch der jetzige Außenminister Frank-Walter Steinmeier unter Druck, denn er war 2003 als Leiter des Kanzleramtes verantwortlich für die Aufsicht über den BND. Seit Steinmeier sich selbst zum Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten ausgerufen hat, wird seine dubiose Rolle bei dem Einsatz des BND in Bagdad mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuß kommt für Steinmeier also im ungünstigsten Moment.
Bei der gestrigen Befragung der beiden Agenten wurde von der großen Koalition sofort der Ausschluß der Öffentlichkeit verfügt. Allerdings waren etliche Einzelheiten über die Tätigkeit des BND im Irak bereits im Vorfeld bekannt geworden. So hatte der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne) schon im Februar 2006 mit einer »abweichenden Bewertung« zu einem Bericht der Bundesregierung vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) darauf hingwiesen, daß die schon Agenten »auch eindeutig militärische Objekte schriftlich und mündlich gemeldet« hätten, »die als Ziele für Bomben- und Raketenangriffe in Betracht kamen«. So etwa Informationen über militärische Stellungen, über die bevorstehende Sprengung einer Brücke und über die Benzinvorräte in Bagdad. Nicht unbedeutend für die Kriegsparteien USA und Großbritannien waren wohl auch Stimmungsbilder über die Haltung der irakischen Bevölkerung. Nach der Bombardierung eines irakischen Offiziersklubs schauten die beiden, welche Wirkungen das Bombardement erzielt hatte und meldeten, daß noch nicht alles vernichtet sei. Kurz darauf fielen auf den Offiziersklub weitere Bomben.
Eine mögliche Verteidigungslinie für Steinmeier besteht darin, daß der BND angewiesen worden sei, den USA zwar Informationen zu liefern, jedoch nur solche, die für die Kriegsführung nicht relevant seien. Merkwürdigerweise gibt es aber keinen schriftlichen Beleg für eine solche Einschränkung des Auftrags. Sollte es sie gegeben haben, hat sich der BND jedenfalls nicht daran gehalten. Dann wird Steinmeier erklären müssen, wie er es mit seiner Aufsichtspflicht gehalten hat. Das seinerzeit von ihm geleitete Kanzleramt ist die Aufsichtsbehörde für den BND.
Deshalb ist die Angelegenheit mit der gestrigen Vernehmung der beiden Agenten für Steinmeier noch lange nicht ausgestanden. Der Ausschuß wird in den nächsten Wochen die verantwortlichen BND-Mitarbeiter aus der Pullacher Zentrale vernehmen, dann den damaligen BND-Chef August Hanning, den früheren Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau und schließlich Ende November Frank-Walter Steinmeier selbst als Zeugen vorladen. Die SPD hat schon angekündigt, auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder in den Zeugenstand zu rufen. Er soll offenbar seinen Intimus Steinmeier vor dem Ausschuß heraushauen – angesichts der Faktenlage kein leichtes Unterfangen.