Die neuesten Skandale des Bundesnachrichtendienstes (BND) werden am nächsten Mittwoch ein Nachspiel im Bundestag haben. In dem für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium muß die Bundesregierung zu dem peinlichen Einsatz dreier BND-Agenten in Pristina Stellung nehmen. Oppositionspolitiker wie der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele fordern eine rasche Aufklärung vor allem auch hinsichtlich des mangelhaften Krisenmanagements von BND, Kanzleramt und Auswärtigem Amt. »Es muß geklärt werden, wer da außer Kontrolle geraten ist«, verlangte Ströbele.
Obwohl die Bundesregierung die völkerrechtswidrige Anerkennung der Selbständigkeit des Kosovo stets unterstützt hat, setzte der BND dort drei Agenten ein, ohne diese offiziell zu akkreditieren. Nach einem Sprengstoffanschlag auf ein internationales Verwaltungsgebäude wurde am 14. November ein in der Nähe des Tatortes angetroffener BND-Agent vorläufig festgenommen, jedoch zunächst wieder freigelassen. Fünf Tage später wurden die drei wahrscheinlich in der Zwischenzeit enttarnten BND-Mitarbeiter in Pristina verhaftet. Ein Richter ordnete für sie wegen Tatverdachts 30 Tage Untersuchungshaft an. Obwohl die Bundesregierung behauptete, für eine Tatbeteiligung lägen keine Beweise vor, ließen die Behörden des »befreundeten« Kosovo die Agenten erst am 28. November wieder frei. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) mußte sich von der Opposition fragen lassen, warum er fast eine Woche gewartet hat, ehe er am 25. November mit Ministerpräsident Hashim Thaci telefonierte.
Der Abgeordnete Wolfgang Neskovic (Die Linke) kritisierte die Rolle von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der sich nicht für die Freilassung der Inhaftierten eingesetzt habe. Es sei »beschämend«, erklärte Neskovic in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, daß sich Steinmeier »aus der Verantwortung stiehlt«. Das CDU/CSU-geführte Kanzleramt wiederum streute offenbar Informationen, daß BND-Präsident Ernst Uhrlau (SPD) versagt habe. Ihm wird vorgeworfen, daß er zwischen der ersten vorläufigen Festnahme am 14. November und der richterlich angeordneten Verhaftung am 19. November die Agenten nicht abgezogen und das Kanzleramt informiert habe. Laut FAS haben die Agenten noch am 14. November einen verschlüsselten Hilferuf in die BND-Zentrale geschickt. Dieser sei aber Tage liegengeblieben und nicht in die Hände von Uhrlau gelangt.
In einer Agenturmeldung von ddp am Sonntag wurden nicht namentlich genannte »hohe Beamte des Bundeskanzleramtes« dahingehend zitiert, daß der Präsident im »freien Fall« sei. Es habe sich wieder einmal gezeigt, daß Uhrlau »seinen Laden einfach nicht im Griff hat«. Deshalb wird offen über die Ablösung Uhrlaus spekuliert, auch wenn die Bundeskanzlerin am gestrigen Dienstag mitteilen ließ, er habe weiterhin ihr »uneingeschränktes Vertrauen«.
Zur Kosovo-Affäre kommt noch ein Skandal: Die Deutsche Welthungerhilfe, als deren Präsidentin bis vor kurzem pikanterweise die Ehefrau von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) amtierte, erwägt rechtliche Schritte gegen den BND, weil der Dienst von 2005 bis 2008 mehr als 2000 Telefongespräche und Mails von Mitarbeitern abgehört bzw. mitgelesen hatte. Generalsekretär Hans-Joachim Preuß forderte Merkel auf, den Vorfall zu untersuchen und sicherzustellen, daß künftig Entwicklungshelfer nicht mehr abgehört werden.
Insgesamt zeigen die Vorgänge tatsächlich, daß sich dieser Dienst weder durch den eigenen Präsidenten noch durch den Bundestag wirksam kontrollieren läßt. Die einzig richtige Konsequenz wäre seine Abschaffung. Die anonymen Heckenschützen-Attacken auf Uhrlau aus dem Kanzleramt sind aber ein reines Ablenkungsmanöver. Als Aufsichtsbehörde über den BND tragen das Kanzleramt und damit die CDU/CSU selbst eine erhebliche Mitverantwortung.