Rede von Ulla Jelpke (DIE LINKE.) zu TOP 13 der 205. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages Beratung der Beschlussempfehlung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Keine Abschiebungen in das Kosovo“ (Bt-Drs 16/9143, 16/11370)
Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
wir beraten heute abschließend einen Antrag der Fraktion DIE LINKE., keine Angehörigen von Minderheiten in das Kosovo abzuschieben. Der Bundesinnenminister soll sich dafür einsetzen, dass alle Maßnahmen beendet werden, die solche Abschiebungen zum Ziel haben.
Meine Damen und Herren,
leider ist die Abschiebemaschinerie in Deutschland schon angelaufen. Ein Beispiel vom vergangenen Herbst: am frühen Dienstagmorgen des 04. November reißen ca. 30 Polizeibeamte die Familie Berisha in Mannheim aus dem Schlaf. Die Mutter und vier Kinder werden mit Handschellen gefesselt zum Flughafen Baden-Baden gebracht. Sie können nur mitnehmen, was sie am Körper tragen. Die Mutter ist schwer herzkrank, drei der Kinder sind minderjährig und in Deutschland geboren, nachdem die Mutter vor 17 Jahren hierher kam. Sie leben nun auf der Straße und erhalten keinerlei Unterstützung von den kosovarischen Behörden.
Familien wie diese gibt es viele. Nach Schätzungen leben ca. 100.000 Roma-Flüchtlinge in Europa. Allein in Deutschland geht es um schätzungsweise 23.000 Menschen, die seit zehn Jahren und länger hier leben. Die meisten von ihnen werden nur geduldet, weil die Behörden eine Rückkehr in das Kosovo grundsätzlich für zumutbar halten.
Die Fraktion DIE LINKE. findet es nicht zumutbar, Menschen in ein Land zu schicken, in dem der Minderheitenschutz weiterhin nur auf dem Papier steht. DIE LINKE. findet es nicht zumutbar, Menschen in Armut und Rechtlosigkeit abzuschieben. DIE LINKE. findet es nicht zumutbar, Kinder abzuschieben, die zehn Jahre und länger in Deutschland leben und das Kosovo nur aus Erzählungen kennen.
Meine Damen und Herren,
ca. ein Drittel der Roma, Ashkali und der so genannten Ägypter aus dem Kosovo haben keine gültigen Ausweispapiere. Es ist ihnen unmöglich, bei einer Rückkehr in das Kosovo ihre Identität nachzuweisen und ihren früheren Besitz zurück zu erlangen. Und selbst wenn sie ihre Identität nachweisen können, hilft ihnen das oft nicht weiter. Denn ihnen fehlen die Mittel, um ihr Recht einzu klagen. Die Justiz im Kosovo ist nicht willens und oft schlicht nicht in der Lage, Angehörigen von Minderheiten zu ihrem Recht zu verhelfen.
Die soziale Situation vor allem der Roma ist insgesamt erbärmlich. Die meisten leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag, also in purer Armut. Von den sozialen Sicherungssystem und vom Gesundheitssystem sind die Roma ebenfalls ausgeschlossen. Selbst wenn sie registriert sind, können sie sich die Medikamente nicht leisten.
Ich fordere Sie daher auf: stoppen Sie Abschiebungen in Not und Elend! Sorgen Sie für eine dauerhafte Perspektive der Roma-Flüchtlinge in der Bundesrepublik! Und nicht zuletzt: leisten Sie einen Beitrag zur dauerhaften Stabilisierung des Kosovo! Ich danke Ihnen.
(die Rede wurde zu Protokoll gegeben)