Anrede,
Im vergangenen hatten wir einen neuen Höchststand rechtsextremer Straftaten. Nach den vorläufigen Zahlen des Bundesinnenministeriums
wurden fast 14.000 rechtsextremistisch motivierte Delikte – von der Hakenkreuzschmiererei bis zur Körperverletzung – registriert. Das ist eine Steigerung von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Grauziffer liegt noch weit darüber. Bislang nicht in der Statistik des Innenministeriums enthalten sind vier Morde durch fremdenfeindlich oder rechtsextrem motivierte Gewalttäter im Jahr 2008.
Nicht nur in Ostdeutschland, auch in Teilen des Ruhrgebiets bauen Neofaschisten systematisch ihren Einfluss vor Ort aus. Mit sozialer Demagogie versuchen sie, die Verzweiflung und Perspektivlosigkeit von Opfern der Wirtschaftskrise für sich und ihr rassistisches Programm zu nutzen. Sie sind eine tägliche Gefahr für alle, die nicht in ihr Weltbild passen. Dies wurde erst Mitte Februar wieder deutlich, als es nach dem bislang größten Faschistenaufmarsches seit Gründung der Bundesrepublik in Dresden zu mehreren Angriffen von Neonazis auf Antifaschisten kam. Dabei wurden Gewerkschaftskollegen zum Teil schwer verletzt. Viele dieser braunen Schläger in Dresden kam auch hier aus dem Ruhrgebiet.
Als wichtige Einstiegsdroge in die Naziszene dient häufig rechtsextreme und Gewaltverherrlichende Musik. Das haben wir bei der hetzerischen Schulhof-CD der NPD mit ihren rassistischen Texten gesehen. Offene Neonazi-Bands und auch rechte Hooligan-Gruppen wie „Kategorie C“ spielen eine wichtige Rolle für die rechtsextreme Szene, um Jugendliche zu ködern.
Im Umfeld solcher Rechtrock-Bands und ihrer Konzerte können organisierte Neonazis neue noch nicht gefestigte Anhänger an sich ranführen und rekrutieren.
Schließlich gibt es zwischen Neonazis und eigentlich unpolitischen Hooligans oder Rockern starke Überschneidungen im Weltbild. So etwa das chauvinistische Frauenbild, die starke Ritualisierung des Clublebens, die Affinität zu Gewalt als Mittel von Auseinandersetzung und das Angstpotential, mit dem sich Hooligans, Rocker und Neonazis Respekt zu schaffen versuchen. Auch der Hang zu bestimmten Symbolen in der Hooligan- und Rocker-Szene wie die rassistische Südstaatenflagge, Eiserne Kreuze und Runensymbole ist ein Anknüpfungspunkt für Neonazis.
Die Gruppe „Kategorie C- Hungrige Wölfe“, gegen deren Konzert wir heute demonstrieren, behauptet gänzlich unpolitisch zu sein. Ein Blick auf die Geschichte der Band und ihrer Musiker zeigt, dass das eine glatte Lüge ist. Ihr Sänger Hannes Ostendorf, der 1991 an einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft beteiligt war, ist seit langem in der rechtsextremen Szene aktiv. Auch ein Teil der Musiker sind selbst nach Einschätzung des niedersächsischen Verfassungsschutzes „dem rechtsextremen Spektrum zugetan“. Schon auf ihrer CD „Fußballfest 98“ klingt Landserromantik an: „Hoch auf dem gelben Wagen, sitz ich beim Führer vorn, Vorwärts die Oii traben, lustig schmettert das MG“.
2001 spielte „Kategorie C“ zur 20-Jahr-Feier der Dortmunder Neonazi-Hooligans Borussenfront um SS-Sigi Borchardt. Und 2006 trat Sänger Ostendorf auf einer von einem NPD-Funktionär angemeldeten Solidaritätsdemonstration für inhaftierten Sänger der Naziband Landser, Michael Lunikoff Regener vor dem Gefängnis Berlin-Tegel auf.
Auf dem zur Fußball-WM 2006 verteilten extrem rechte Sampler „Zu Gast bei uns“, der von der Polizei „wegen Verdacht der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten sowie Gewaltdarstellungen“ eingezogen wurde, hetzte Ostendorf gegen dunkelhäutige Spieler. „Deutschland dein Trikot / Das ist schwarz und weiß / Doch leider auch die Farbe deiner Spieler / In München, Rom und Bern, da gab`s noch echte Deutsche / solche Jungs und diese Siege hätten wir jetzt gerne wieder!“
„Kategorie C“ mag so etwas alles unpolitisch nennen. Wir nennen es Rassismus und Faschismus. Und wir sagen deutlich: Faschismus ist nicht unpolitisch. Faschismus ist auch nicht einfach eine Meinung. Faschismus ist ein Verbrechen.
Quartalsweise fragt die Linksfraktion im Bundestag nach Erkenntnissen der Bundesregierung über Musikveranstaltungen der extremen Rechten. Doch die Antworten der Bundesregierung auf unsere detaillierten Fragen sind mehr als dürftig. Leider weigert sich die Regierung regelmäßig, uns eine vollständige und detaillierte Auflistung der Veranstaltungen zu geben. Die rechtsextremistische Szene könne sonst Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden ziehen, heißt es in der Begründung. Im Klartext meint das: Die Bundesregierung will einerseits ihre Verfassungsschutzspitzel innerhalb der Naziszene schützen und andererseits ihre erschreckende Unkenntnis im Bereich rechtsextremer und neonazistischer Musik verbergen. Denn häufig sind es eben nicht die nutzlosen und zum Teil kriminellen Geheimdienstspitzel, sondern engagierte Antifaschisten, die in der rechtsextremen Szene geplante Konzertveranstaltungen aufdecken und öffentlich machen.
Doch langsam scheinen auch die Behörden aufzuwachen. So fand am Dienstag die bislang größte Razzia gegen den Vertrieb von Nazi-Musik in der Bundesrepublik statt. Dabei wurden bei rund 100 Beschuldigten 45.000 Tonträger mit menschenverachtender, volksverhetzender Nazimusik beschlagnahmt. Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Aber wir müssen wachsam sein, dass die Großrazzia nicht ein einmaliger Paukenschlag war und am Ende wieder alles im Sande verläuft.
Entscheidend bleibt unsere antifaschistische Selbsthilfe. Mit Kundgebungen und Demonstrationen wie heute in Essen müssen wir zeigen, dass Rassismus und Nazi keinen Platz bei uns haben.
Stellen wir uns quer!
Ziehen wir den Nazi-Rockern den Stecker raus!