Trotz der weiterhin zögerlichen Haltung der Innenminister der Europäischen Union (EU) wächst der Druck auf die Bundesregierung, sich endlich zur Aufnahme von Personen bereit zu erklären, die derzeit noch im US-amerikanischen Foltergefängnis Guantánamo inhaftiert sind. Die amerikanische Menschenrechtsorganisation Center for Constitutional Rights (CCR) hat Deutschland am Dienstag um die Aufnahme von sechs Gefangenen gebeten. Es handelt sich dabei um vier Inhaftierte aus Syrien, einen aus Rußland und einen aus den Palästinensergebieten.
»Diese Gefangenen werden festgehalten, obwohl sie erwiesenermaßen nichts mit Al Qaida oder anderen islamistischen Terroristen zu tun haben«, erklärte Anwältin Pardiss Kebriaei. »Es ist ein Irrglaube, daß in Guantánamo jetzt nur noch die gefährlichsten Leute einsitzen«, fuhr sie fort. »Vielfach sind das Leute, bei denen man einfach nicht weiß, wohin man sie bringen kann.« Die Bedingungen, unter denen die Häftlinge festgehalten würden, hätten sich auch nach Obamas Amtsantritt »nicht erheblich verbessert«. Der neue US-Präsident Barack Obama hat die Schließung von Guantánamo versprochen und bei seiner Europareise vorige Woche die EU um Unterstützung gebeten. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy erklärte sich daraufhin zur Aufnahme eines Algeriers bereit. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) beruft sich jedoch darauf, daß es noch keine konkrete Anfrage der USA gebe. Die EU-Innenminister drücken sich seit Monaten um eine klare Zusage herum. Am Montag vereinbarten sie in Luxemburg lediglich einen »intensiven Informationsaustausch und ein koordiniertes Vorgehen«.
Zusagen zur Unterbringung einzelner Häftlinge gibt es bisher aus Frankreich, Spanien und Portugal. Laut EU-Innenkommissar Jacques Barrot rechnen die USA damit, bis Juni 2009 bilaterale Abkommen mit aufnahmewilligen Staaten zu schließen. In der Bundesrepublik machen vor allem die CDU und CSU »Sicherheitsbedenken« geltend.
Dagegen verlangte Die Linke gestern in einer Pressemitteilung, daß die unschuldig in Guantánamo festgehaltenen Häftlinge endlich frei kommen müßten. Die Bundesrepublik könne dazu einen wichtigen Beitrag leisten. »Bundesinnenminister Schäuble hat durchaus die Möglichkeit, in Einzelfällen die Aufnahme von Gefangenen anzuweisen. In erster Linie geht es hier um Gefangene, die auch nach Aussage der USA unschuldig in dieses menschenunwürdige Gefangenenlager verschleppt wurden. Eine Gefahr für die Sicherheit der deutschen Bevölkerung stellen sie demzufolge nicht dar«, betonte die Linke.
Bedenken anderer EU-Staaten wie Österreich, daß die aufgenommenen Häftlinge sich frei im Schengen-Raum bewegen könnten, seien lediglich eine schlechte Ausrede für die eigene Untätigkeit der Bundesregierung. Der Aufenthalt könne nämlich auf einzelne Länder beschränkt werden. Die Stadt München habe sich schon bereit erklärt, die uigurischen Gefangenen aus Guantánamo zu empfangen. Auch für die vom CCR genannten Häftlinge würde sich eine entsprechende Lösung finden lassen. »Es fehlt also nur am politischen Willen des Bundesinnenministers«, kritisierte Die Linke.