Ein neuer Datenskandal erschüttert die Telekom und das Bundeskriminalamt (BKA). Nach einem Bericht in der gestrigen Frankfurter Rundschau soll die Deutsche Telekom dem BKA nach den Attentaten vom 11. September 2001 ohne Rechtsgrundlage Millionen Kundendaten für großangelegte Rasterfahndungen bereitgestellt haben. Es sei dabei nicht um die Ermittlung bestimmter Straftäter gegangen, sondern um eine umfassende »Durchrasterung« von nahezu allen Kunden-Datenbeständen der Telekom.
Nach dem 11. September 2001 führten die Landespolizeibehörden unter Mitwirkung des BKA eine bundesweit koordinierte Rasterfahndung nach »islamistischen Terroristen« durch. Ziel war insbesondere die Erfassung sogenannter »Schläfer«. Die Landesämter erhoben 32000 Datensätze bei Universitäten, Einwohnermeldeämtern und dem Ausländerzentralregister und rasterten die Datenbestände nach den Kriterien: männlich, Alter 18 bis 40 Jahre, (ehemaliger) Student, islamische Religionszugehörigkeit, Geburtsland. »Schläfer« wurden dabei nicht aufgespürt.
Das Bundesverfassungsgericht entschied am 23. Mai 2006, daß diese Maßnahme gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen hat. Es müsse zumindest eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter vorliegen. Als bloße Vorfeldmaßnahme entspreche eine solche Rasterfahndung verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Eine allgemeine Bedrohungslage reiche nicht aus, so die Argumente der Richter.
Es ist davon auszugehen, daß die Zusammenarbeit der Telekom mit dem BKA diesen Grundsätzen des Verfassungsgerichts keinesfalls entsprochen hat. Nach Einschätzung des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert habe sich gezeigt, daß der »Sumpf wirklich wahnsinnig weit verbreitet ist«. Der Datenschützer erklärte gestern im NDR, er befürchte, daß es in vielen Unternehmen, Behörden und auch bei der Politik noch keine Sensibilität für die Anforderungen des Datenschutzes gebe.
Bei der Telekom sei es wohl »eine alte Geschichte, die natürlich sehr zu denken gibt, weil die Telekom offensichtlich relativ ungeschützt und ungeprüft irgendwelche Anfragen des Bundeskriminalamtes beantwortet hat«, kritisierte Weichert. Die Telekom verweigerte nähere Auskünfte und verwies auf das Bundeskriminalamt. Das erklärte am Nachmittag, der Sachverhalt werde geprüft.