Torten können gefährliche Waffen sein. Jedenfalls in den Augen der Staatsanwaltschaft. In Bochum muß sich am morgigen Donnerstag ein Antifaschist vor Gericht verantworten, weil er durch die Abbildung einer Torte zu Gewalttaten aufgerufen haben soll. Denn die Staatsanwaltschaft behauptet, daß in dem Backwerk in Wirklichkeit eine Bombe steckte. Virtuell jedenfalls.
Im Oktober vergangenen Jahres hatte Martin Budich als Betreiber der linken Homepage bo-alternativ.de die Proteste gegen einen NPD-Aufmarsch unterstützt. Stein des Anstoßes ist ein Bild auf seiner Internetseite. »Kein Zuckerschlecken für Nazis« war da zu lesen. Darunter befand sich eine Comicfigur, die eine Torte mit brennender Wunderkerze in der Hand hielt sowie die Parole: »NPD-Aufmarsch verhindern«. Auf den ersten Blick ein harmloses Bildchen, dessen »Gewaltpotential« darin besteht, Neonazis mit weichem Gebäck zu bewerfen. Die Staatsanwaltschaft präsentiert indes eine andere Interpretation. So hatten die Ermittlungsbehörden recherchiert, daß es sich bei der Comicfigur um »Bomberman« handelt, die aus einem für Kinder entwickelten Computer-Strategiespiel stammt. Im Spiel hält der Original-»Bomberman« eine Bombe in der Hand. Budich erklärt dazu: »Ich bin 58 Jahre alt, habe keine Kinder und mich in meinem Leben noch nie mit solchem Quatsch beschäftigt«. Für die Staatsanwaltschaft eine reine Schutzbehauptung. Budich habe »eine als Torte getarnte Bombe mit brennender Lunte« abgebildet, begründet sie die Anklage. Damit – so die These der Ermittler – habe er die Antifa anstiften wollen, Gegenstände, die »zur Verletzung von Personen oder Beschädigung von Sachen geeignet« sind, zur Demo mitzubringen, um eine »gefährliche Körperverletzung« an den Neonazis zu begehen, heißt es in der Anklageschrift.Weiter stellt die Staatsanwaltschaft fest, daß tatsächlich einige hundert Antifa-Aktivisten versucht hätten, sich den Rechten entgegenzustellen.
»Die Anklage ist ein Affront gegen die Menschen, die sich am 25. Oktober in Bochum und in anderen Städten den Naziaufmärschen entgegenstellten; wir fordern die sofortige Einstellung des Verfahrens oder Freispruch«, heißt es in einer Erklärung vom Dienstag, die unter anderem von der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Petra Pau, der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (beide Die Linke), dem DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach, der Grünen-Chefin Claudia Roth und weiteren Politikern sowie Journalisten unterzeichnet wurde.
Die NPD hatte seinerzeit in Bochum unter dem Motto »Deutsche wehrt Euch« demonstriert – im Gegensatz zum virtuellen »Bomberman« eine sehr reale Parole, mit der die faschistische NSDAP schon vor über 70 Jahren vor allem gegen Juden hetzte. Gegen diese Parole, die von der NPD zitiert wurde, hatte die Staatsanwaltschaft allerdings keine Bedenken. Statt dessen sitzt mit Budich nun ein Vertreter der lokalen Friedensbewegung und des Bündnisses Bochum gegen rechts auf der Anklagebank. Die Klage gegen Budich sei eine Farce und diene »der Kriminalisierung antifaschistischen Engagements«, sagte die aus Bochum stammende Linken-Abgeordnete Dagdelen gegenüber junge Welt. Budich habe das getan, was im Bundestag regelmäßig gefordert werde: Zivilcourage gegen rechts zu zeigen, so Dagdelen. Grünen-Chefin Roth wirft der Staatsanwaltschaft vor, den Rechtsextremen in die Hände zu spielen. Der Prozeß gegen Budich beginnt um 11.15 Uhr im Saal C 133 des Amtsgerichts Bochum.