Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat seine berüchtigte Serie der Sonntagsinterviews fortgesetzt. Nicht genug, daß er anhaltenden Widerstand gegen die Aufnahme von Guantánamo-Gefangenen leistet und den Amerikanern hierfür wegen angeblich unzureichender Informationen die Schuld in die Schuhe schiebt. In der Bild am Sonntag holte er seinen alten Plan einer Grundgesetzänderung zugunsten erweiterter Befugnisse der Bundeswehr aus der Schublade. Als Vorwand hierfür nutzte er die Ende April abgebrochene Aktion der GSG9, die vor der Küste Somalias mit Waffengewalt ein gekapertes Schiff stürmen und Matrosen befreien sollte. Die GSG9 ist eine Spezialeinheit der Bundespolizei. Schäuble erklärte nun in der BamS: »Eigentlich ist das eine Aufgabe für die Bundeswehr. Dafür müssen wir ihr aber auch die rechtlichen Grundlagen durch eine Grundgesetzänderung geben.« Zuvor hatte bereits der Spiegel über einen Vorschlag des Innenministers berichtet, Elitekommandos auf Fregatten zu stationieren, um Entführungen von Frachtern schneller beenden zu können.
Die Aktion der GSG9 am Horn von Afrika war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Als sicheres Mittel, das Leben von Geiseln zu retten, hat sich in der Region nur die Zahlung von Lösegeld erwiesen. Abgesehen davon, daß allein die Vorbereitung des GSG-9-Einsatzes weitaus mehr gekostet hat als alle bisherigen Lösegeldzahlungen, hätte bei Durchführung des Einsatzes höchste Lebensgefahr für alle Beteiligten gedroht. Das Risiko auch für das Leben der entführten Seeleute war viel zu groß. Deshalb ist schließlich der Einsatz der GSG9 doch nicht durchgeführt worden.
Obwohl dies von Anfang an klar war, nutzt Schäuble jetzt das angebliche »Scheitern« der GSG-9-Mission, um einer weiteren Militarisierung der deutschen Politik das Wort zu reden. Tatsächlich ist und bleibt die Verhinderung von Geiselnahmen und deren Beendigung eine polizeiliche Aufgabe. Auch wenn man in den konkreten Fällen vor Somalia einen GSG-9-Einsatz für völlig verfehlt hält, handelt es sich bei Geiselnahmen jedenfalls nicht um ein Thema für die Bundeswehr. Diese Situation als Einstieg für eine Grundgesetzänderung zu verwenden, läßt auf ein ziemlich offenkundiges Motiv des Innenministers schließen: Wenn es hier gelänge, der Bundeswehr polizeiliche Aufgaben zu übertragen, wäre der nächste Schritt nur konsequent. Mit derselben Argumentation würden die Befürworter einer Grundgesetzänderung alsbald den Einsatz der Bundeswehr im Innern propagieren.
Deshalb muß der von Schäuble gewünschten Übertragung polizeilicher Befugnisse auf die Bundeswehr sofort ein Riegel vorgeschoben werden. Andernfalls droht eine weitere Militarisierung auch der Innenpolitik. Wer keine Einsätze des Militärs gegen Demonstranten im Inland will, muß Schäubles Grundgesetzänderung strikt zurückweisen.