Bei der Vorstellung des Grundrechtereports 2009 hat der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, vor einer Aufweichung des grundgesetzlichen Folterverbots gewarnt. »Vor vergifteten Beweismitteln dürfen wir nicht die Augen verschließen. Wenn es belastbare Anzeichen gibt, daß Zeugenaussagen in ausländischen Gefängnissen unter Folter erzwungen wurden, dann muß ihre Verwendung sowohl deutschen Behörden als auch Gerichten strikt verboten sein.«
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Verfassungsschutzchef Heinz Fromm machen sich seit längerem für eine Lockerung des Verwertungsverbots erfolterter Aussagen stark. Und der Leiter der Terrorismusabteilung der Bundesanwaltschaft, Rainer Griesbaum, forderte auf dem 67. Deutschen Juristentag im September 2008, »Früchte vom verbotenen Baum« dürften deutschen Ermittlern nicht generell entzogen werden und Informationen aus fragwürdigen ausländischen Quellen sollten nicht als »unrettbar bemakelt« verworfen werden.
Es handelt sich hier keineswegs nur um theoretische Überlegungen. Vielmehr wird das Verwertungsverbot von unter Folter erzwungenen Aussagen vor deutschen Gerichten längst durchlöchert, wenn es um Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer »terroristischen Vereinigung« nach Paragraph 129 a und b StGB geht. Zahlreiche angebliche Ermittlungserkenntnisse in diesen Verfahren stammen von ausländischen Polizeibehörden oder Geheimdiensten aus Folterstaaten wie der Türkei, dem Libanon oder Jordanien. Aus dem Ausland kommen im Zuge der Rechtshilfe auch ordentliche Beweismittel für deutsche Prozesse wie Zeugen oder Urkunden. »Ein Rechtshilfeersuchen ist nicht bewilligungsfähig, wenn die Gefahr von Folter oder die Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden im ersuchten Staat droht«, versicherte die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (Bundestagsdrucksache 16/11078). Die Praxis sieht anders aus.
Seit über einem Jahr stehen in Stuttgart-Stammheim fünf linke Aktivisten aus der Türkei wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor Gericht. Die Anklage stützt sich wesentlich auf Aussagen von Zeugen und Beschuldigten, die in der Türkei von der Staatssicherheitspolizei vernommen worden sind. Der Verteidigung liegen klare Hinweise dafür vor, daß diese Aussagen unter Anwendung von Folter entstanden sind. Auch die Anklage im Prozeß gegen die so genannten »Sauerland-Zelle« bezieht sich auf Zeugenaussagen aus usbekischen Foltergefängnissen.
Mit ihren gegen das Verwertungsverbot von Folteraussagen gerichteten Vorstößen untergraben Schäuble und Co. deutsches und internationales Recht und ermutigen Folterstaaten. Das Verwertungsverbot von erfolterten Erkenntnissen muß auch in der Praxis durchgesetzt werden. Mit Folterbehörden darf es keine Zusammenarbeit geben – auch nicht im Namen der sogenannten Terrorbekämpfung.