Der Bundestag hat am Mittwoch in erster Lesung ein Papier diskutiert, das in der Internetcommunity auf höchstes Mißtrauen stößt. Es geht um den Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur »Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen«. Alle Fraktionen betonten, daß der Kinderpornographie wirksam entgegengetreten werden müsse. Die Wege, die dazu vorgeschlagen werden, sind aber sehr unterschiedlich.
CDU/CSU und SPD wollen die Dienstanbieter gesetzlich verpflichten, »technische Maßnahmen zu ergreifen, die den Zugang zu kinderpornographischen Internetangeboten erschweren«. Experten beispielsweise vom Chaos-Computer-Club halten den Vorschlag für ungeeignet. Mit etwas technischem Geschick läßt sich eine solche Sperre ihrer Erfahrung nach leicht umgehen. Dabei handele es sich um eine relativ nutzlose Maßnahme, mit der allenfalls bei einem Teil der User der Zugang zu den kinderpornographischen Inhalten behindert, aber eben nicht verhindert werden könne.
Angezweifelt wird auch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, denn die »Gefahrenabwehr« obliegt den Ländern. Die Koalition versucht sich demgegenüber auf die Zuständigkeit des Bundes für Wirtschaftsrecht zu stützen. Tatsächlich betrifft das Gesetz jedoch die Abwehr von Straftaten, denn das Herunterladen von Kinderpornographie ist unter Strafe gestellt. Prävention vor Straftaten ist aber Ländersache.
Zusätzlich wird bemängelt, daß die Definition von Kinderpornographie nicht eindeutig ist. Die Europäische Union hat einen Rahmenbeschluß vorbereitet, wonach im Sexualstrafrecht auch Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres rechtlich als »Kinder« einzustufen wären. Demnach könnten künftig auch sexuell anzügliche Fotos von Jugendlichen als »Kinderpornographie« gewertet werden, was weit über das eigentliche Anliegen des Gesetzentwurfs hinausginge.
Die Hauptsorge der Opposition gilt aber der Frage, ob mit einem solchen Gesetz der Einstieg in die Zensur des Internets verbunden ist. Die Sperrung von Internetseiten oder die Erschwerung des Zugangs ist zweifelsfrei ein Eingriff in die Telekommunikationsfreiheit. Wenn man das zuläßt, weil Kinderpornographie nach allgemeiner Meinung zu bekämpfen ist, wird bald die Forderung laut werden, auch andere Inhalte zu sperren. Es stellt sich dann die Frage, wo Zensur anfängt, wo sie aufhört und wer darüber bestimmt.
Die Debatte um die heimliche Onlinedurchsuchung hat gezeigt, daß die Grenzen schnell gesprengt sind. Zunächst hatte die Regierung versichert, solche Eingriffe kämen nur zur »Abwehr von Terrorismus« in Betracht. Nun erhebt CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach die Forderung, Onlinedurchsuchungen nicht nur zur Gefahrenabwehr, sondern auch zur Strafverfolgung zuzulassen. Äußerst bedenklich ist auch, daß eine Polizeibehörde – nämlich das Bundeskriminalamt – laut Gesetzentwurf den Internetprovidern täglich eine Liste erstellen soll, welche Seiten zu sperren sind. Das muß dann innerhalb von sechs Stunden umgesetzt werden. Das Verfahren unterscheidet sich von der Indizierung jugendgefährdender Schriften also dadurch, daß die Vorgaben einseitig von der Polizei kommen.