Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
vor 64 Jahren befreiten die Alliierten Streitkräfte Deutschland und Europa vom Nazi-Faschismus. Zurück blieben Millionen während des faschistischen Vernichtungskrieges und der Shoa ermordete Menschen. Insbesondere die Sowjetunion bezahlte diesen Sieg über die Barbarei mit vielen Millionen Toten, von denen viele noch in den letzten Tagen und Stunden des Krieges im Kampf um Berlin auch für unsere Freiheit fielen.
Auch hier in Iserlohn wurden zahlreiche Gegner des Naziregimes verhaftet, gefoltert und ermordet. Darunter Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen und Juden. Am 9. September 1938 brannte in Iserlohn die Synagoge an der Mendener Straße. Die Brandstifter von der faschistischen SA hinderten die Feuerwehr am Löschen, so dass das jüdische Gotteshaus bis auf die Grundmauern nieder brannte. Mindestens 80 jüdischstämmige Bürger aus Iserlohn wurden in den KZs und Vernichtungslagern ermordet. Seit drei Jahren erinnern Stolpersteine an einige dieser ermordeten jüdischen Familien. Ich wünsche mir, dass noch weitere dieser kleinen Gedenksteine verlegt werden. Denn die Erinnerung an die Verbrechen der Hitler-Faschisten ist heute eine wichtige Waffe im Kampf gegen die Neonazis.
Noch in den letzten Kriegswochen opferte der Kriegsverbrecher General Model im sogenannten Ruhrkessel Zehntausende Menschenleben im sinnlosen und verbrecherischen Kampf gegen die US-Truppen.
Am 16.April 1945 kapitulierten die aus dem Ruhrkessel nach Iserlohn zurückgezogenen Truppen der Naziwehrmacht. Mit der Übergabe der Stadt an die US-Befreier wurde Iserlohn von der weiteren Zerstörung bewahrt. Die Stadt Iserlohn gedachte vor zwei Jahren der kampflosen Kapitulation mit einer Gedenktafel. Doch geehrt wurden darauf nicht nur die an der Übergabe der Stadt beteiligten Pfarrer Heinrich Ditz und Bruno Linde sowie der Arzt Paul Möckel. Als Retter genannt wird auch Hauptmann Albert Ernst, dessen nach Iserlohn zurückgezogene Panzerverbände erst die Ursache für das mehrtätige Bombardement der Stadt durch US-Truppen waren. Einer völligen Verdrängung der historischen Wahrheit kommt es gleich, dass auf der Tafel auch
ein Polizeimajor Otto Perl „für seinen mutigen Einsatz“ geehrt wird. Dieser Polizist wurde nach Kriegsende zu 6 Jahren Haft verurteilt, weil er noch kurz vor Kriegsende im Polizeigefängnis an der Erschießung eines zu Zuchthaus verurteilten Wehrmachtsdeserteurs beteiligt war. Ein solcher Kriegsverbrecher und offensichtlicher fanatischer Faschist kann und darf kein Vorbild sein.
Wir wollen heute nicht solchen Tätern, sondern den Opfern des Naziregimes aus Iserlohn gedenken. Und wir gedenken auch mutiger Iserlohner Antifaschisten wie des Pfarrers Samuel Balzer, der sich mit der bekennenden Kirche gegen die Kollaboration der sogenannten „deutschen Christen“ mit dem Hitlerregime wandte.
Die überlebenden Antifaschistinnen und Antifaschisten in den Konzentrationslagern schworen nach der Befreiung: Nie wieder! Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!
Dieser Schwur muß für uns heute weiterhin eine bleibende Verpflichtung sein, um nie wieder rassistische und faschistische Tendenzen oder Gruppierungen zu Einfluss und Macht gelangen zu lassen.
Doch der vielbeschworene Schoß, aus dem die der Hitler-Faschismus einst kroch, ist weiterhin fruchtbar.
Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise mit Firmenschließungen, Massenerwerbslosigkeit und sozialer Verelendung hoffen Neonazis jetzt, Profit aus der Perspektivlosigkeit und Zukunftsangst vieler Menschen zu ziehen. Schamlos übernehmen die Faschisten selbst Forderungen der Linken wie „weg mit Hartz IV“ oder „Verstaatlichung der Banken“. Doch diese soziale Demagogie dient nur als Einstiegsdroge. Mit ihr zusammen werden Nationalismus und Rassismus verabreicht und zur faschistischen Ideologie verschmolzen.
Mit ihren brutalen Angriffen auf Gewerkschafter, die im Februar in Dresden gegen einen Naziaufmarsch demonstriert hatten, und jetzt am 1.Mai mit den Überfällen faschistischer Schläger auf DGB-Kundgebungen in Dortmund und Rotenheim haben die Rechtsextremen ihr wahres Gesicht gezeigt. Hinter der Maske der selbsternannten Rächer des kleinen Mannes und der kleinen Frau verbirgt sich in Wirklichkeit Todfeindschaft gegenüber den Gewerkschaften als Interessensvertretern der werktätigen Bevölkerung.
Und dieselbe Todfeindschaft bringen die Neonazis all denjenigen entgegen, die – wie Migranten, Homosexuelle, Obdachlose und Behinderte sowie aktive Linke und Antifaschisten – nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen.
Für das vergangene Jahr nennt die polizeiliche Kriminalitätsstatistik eine deutliche Zunahme rechtsextremer Straftaten um 18 Prozent. Mindestens vier Menschen wurden im vergangenen Jahr von den brauen Schlägern vorsätzlich und brutal ermordet. Zahlreiche andere wurden zum Teil schwerverletzt.
Nicht nur in einigen Gebieten Ostdeutschlands, auch hier in Nordrhein-Westfahlen breiten sich Neonazis immer weiter aus. In NRW stieg die Zahl rechter Gewalttaten im vergangenen Jahr um ein Viertel an.
Auch Iserlohn wird von Naziaktivitäten nicht verschont. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ im Iserlohner Rathaus provozierten im April Mitglieder der NPD auf dem Schillerplatz. „An unseren Anblick müsst ihr euch gewöhnen“, drohte einer der Neonazis damals den zahleichen dort versammelten Antifaschisten an. Doch das werden wir niemals. Wir werden uns niemals an den Anblick, an die Präsenz, an die Hetze von Neonazis gewöhnen. Wir sagen: Null Toleranz für Nazis. Es gibt keinen Platz für Neonazis – nicht in Iserlohn und auch nicht anderswo.
Weiterhin ist die NPD die Hauptkraft im rechten Lager. Zwar steht die Partei am Rande des finanziellen Ruins und ist tief gespalten in Krawallnazis auf der einen und sich seriös gebenden Parlamentarier auf der anderen Seite. Doch es wäre eine gefährlich Illusion, wenn wir auf eine Selbstzerstörung der NPD hoffen.
Weiterhin ist in meinen Augen ein Verbot der NPD richtig und notwendig. Damit würden zwar nicht der braune Ungeist aus den Köpfen und die Nazischläger von den Straßen verschwinden. Aber die Nazis würden dann nicht mehr mit Millionen Euro Steuergeldern subventioniert. Und sie könnten sich nicht mehr bei der Anmeldung ihrer Hassaufmärsche auf das Parteienprivileg berufen.
Auch die SPD fordert jetzt – im Wahlkampf – ein Verbot der NPD. Doch leider sind die Sozialdemokraten mehrheitlich ebenso wenig wie ihre Kollegen von Union und FDP bereit, die dafür notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen. Notwendig für ein erfolgreiches Verbotsverfahren wäre der rechtzeitige Rückzug der Spitzel und V-Leute des Verfassungsschutzes aus den Gremien der NPD. Diese Bedingung hat das Bundesverfassungsgericht bereits nach dem Scheitern des letzten NPD-Verbotsverfahrens 2003 genannt.
Doch kaum ein Innenminister ist bereit, auf diese V-Leute zu verzichten. Daher stimmte auch die SPD regelmäßig gegen Anträge der Linken im Bundestag zur Abschaltung der Spitzel. Der Aufklärung über die Naziszene dienen die Spitzel ganz offensichtlich nicht. Sonst wäre die Polizei nicht so erstaunt gewesen über den offenkundig geplanten Überfall von hunderten Neonazis auf die Dortmunder DGB-Kundgebung am 1.Mai.
Der verfassungswidrige Charakter der NPD wird jedem deutlich, der sich die Reden der Parteifunktionäre und ihre Artikel anschaut.
V-Leute sind für die Aufklärung sinnlos. Sie sind staatlich bezahlte Nazihetzer und zum Teil Schwerkriminelle. So war ein V-Mann in NRW an einem Raubüberfall beteiligt und wurde vor der Polizei von seinem V-Mann-Führer vom Geheimdienst gewarnt.
Die V-Leute sind ein Hindernis bei der Strafverfolgung und sie sind das Haupthindernis für ein Verbot der NPD. Darum müssen sie endlich abgezogen werden. Dafür ist öffentlicher Druck notwendig.
Doch wir dürfen nicht bei der Forderung nach einem NPD-Verbot stehen bleiben, sondern müssen selbst weiter aktiv sein gegen Nazis. Dort, wo sie aufmarschieren, müssen wir sie mit breiten Bündnissen von Antifaschisten konfrontieren. Von der Antifa und der Linken über die Gewerkschaften bis zu kirchlichen Gruppen und Migrantenvereinen.
Insbesondere hier in Nordrhein-Westfahlen gewinnen die extrem gewalttätigen Autonomen Nationalisten an Einfluss.
Doch Rechtsextreme treten schon lange nicht mehr nur mit Glatze, Bomberjacke und Reichskriegsfahne auf. Sie kommen auch Gestalt scheinbar seriöser Bürgerbewegungen daher, wie die extrem rechte, rassistische Vereinigung Pro NRW, die in vielen Städten zur Kommunalwahl antreten will.
An diesem Wochenende plant Pro NRW ihren zweiten sogenannten Anti-Islamisierungskongress. Gleich in mehreren Städten wie Leverkusen, Köln und Dormagen sollen Kundgebungen und Veranstaltungen stattfinden, an denen auch zahlreiche Politiker extrem rechter Parteien aus anderen europäischen Ländern wie der österreichischen FPÖ teilnehmen sollen.
Seit Jahren betreibt die Stadtratsfraktion Pro Köln und jetzt die Bewegung Pro Köln hemmungslose rassistische und fremdenfeindliche Hetze insbesondere gegen Migranten aus islamischen Ländern. Muslimischen Mitbürgern soll kurzerhand das Grundrecht auf freie Religionsausübung verweigert werden.
Die antiislamische Hetze dient Pro NRW als Einstiegsdroge, um so ihr extrem rechtes Programm bis weit in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. Bekanntlich stammen die Gründer und viele führende Aktivisten dieser Gruppierung aus neonazistischen Kreisen. Auch bei Kundgebungen gegen Moscheenbau hatten Pro NRW-Funktionäre nur wenige Berührungsängste gegenüber Aktivisten neonazistischer Kameradschaften. Die Abgrenzung von solchen Neonazis ist allenfalls taktisch, um das ordnungsliebende bürgerliche Wählerclientel nicht zu verschrecken.
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
Ich fordere euch auf: Lasst nicht zu, dass die Rassisten von Pro NRW und ihre Kumpane aus anderen Ländern am Wochenende aufmarschieren und Hetzte gegen Migranten und Moslems verbreiten.
So, wie wir auch die Schläger der NPD oder Naziskinheads mit unseren Protesten konfrontieren, müssen wir auch den Pro-NRW-Rassisten in ihren Nadelstreifenanzügen deutlich machen, dass wir für sie kein Platz in NRW ist. Machen wir den zweiten Anti-Islamisierungskongress mit vereinten Kräften zu einem ebensolchen Desaster wie im vergangenen Jahr den ersten von Zehntausenden Menschen verhinderten Kongress. Auch dieses Wochenende muss es heißen: No Pasaran! Kein Fußbreit den Rassisten und Faschisten!