In einem sind sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen aus den Ländern über Parteigrenzen hinweg einig: Sie wollen eine Verfassungsänderung, um den Einsatz der Bundeswehr im Inland zu ermöglichen. Das geht aus der am Mittwoch abend in Bremerhaven vorgestellten Neuauflage des »Programms Innere Sicherheit der Länder und des Bundes« hervor. Das 74seitige Papier wurde auf der noch bis Freitag andauernden Innenministerkonferenz gemeinsam von Schäuble, Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) präsentiert. Das erstmals 1974 aufgestellte Programm wurde seit 15 Jahren nicht mehr aktualisiert.
Begründet wird die angebliche Notwendigkeit, Soldaten als Hilfspolizisten einzusetzen, mit »wachsender Terrorismusgefahr«. Dieser könne nur mit militärischen Fähigkeiten und Mitteln begegnet werden. Lediglich NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) merkte an, daß das Grundgesetz zu Recht die Trennung von Militär und Polizei festlege. Die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke erklärte am Donnerstag, da Heraufbeschwören der Terrorgefahr sei nur der Vorwand zum geplanten Verfassungsbruch. »Wer keine Einsätze des Militärs gegen Demonstrantinnen und Demonstranten im Inland will, muß Schäubles Grundgesetzänderung strikt zurückweisen«, so die Linksfraktion.
Uneinigkeit herrscht bei den Innenministern darüber, ob Angriffe auf Polizeibeamte zukünftig härter geahndet werden sollen, wie dies von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gefordert wird. In den vergangenen fünf Jahren sei die Zahl der Attacken von 20000 auf 27000 nach oben geschnellt, so die GdP. Vor allem hätten Neonazis wie die »Autonomen Nationalisten« die Polizei »als Zielobjekt ihres Hasses« entdeckt. Nach dem diesjährigen 1. Mai in Berlin, wo es nach Polizeiprovokationen zu heftigen Auseinandersetzungen mit Demonstranten kam, wollen die Innenminister beim Kriminologischen Institut Niedersachsen (KFN) eine Studie über Gewalt gegen Polizisten in Auftrag geben.
Während deutsche Regierungspolitiker jeden Abbau von Grundrechten mit Verweis auf die notwendige Anpassung an EU-Regeln erklären, macht der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann Stimmung gegen EU-Pläne, nach denen Asylbewerber mehr Rechte erhalten sollen. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) forderte hingegen eine vereinfachte Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Flüchtlinge, auch wenn diese nicht wie gefordert selbst für sich sorgen können – aber »sich ernsthaft um ihren Lebensunterhalt bemühen und dies nachweisen können«. Aufgrund der Wirtschaftskrise könnten nur wenige der 63000 »Geduldeten« ihre Existenz aus eigener Kraft sichern, begrüßte die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl Körtings Initiative.
Ein Streitthema auf der Innenministerkonferenz ist die geplante Aufnahme von ehemaligen Guantanámo-Häftlingen in Deutschland. Während die SPD-Minister hier eine humanitäre Lösung fordern, sieht Schäuble keine Rechtsgrundlage dafür. Die zur Aufnahme vorgesehenen Uiguren – Angehörige einer muslimische Minderheit aus China – seien alle in »Terrorcamps« gewesen und damit eine Gefahr für die Sicherheit in Deutschland, behauptet der CDU-Mann. »Keiner der Uiguren hat eine Ausbildung in einem Terrorcamp durchlaufen«, betonte dagegen der New Yorker Anwalt Eric A. Tirschwell gegenüber der tageszeitung.