Rede von Ulla Jelpke (DIE LINKE.) zum TOP 13a in der 227. Sitzung des DTB am Donnerstag, 18. Juni:
Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Sprengstoffgesetzes sowie weitere Anträge auf den Drucksachen 16/12597, 16/12663, 16/13423, 16/12395, 16/12477, 16/13423
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Amoklauf von Winnenden hat deutlich gemacht, dass
gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Wir alle haben die Verantwortung, alles dafür zu tun, dass sich solche Tragödien nicht wiederholen.
Das ist auch die Messlatte, die die Fraktion Die Linke an den Gesetzentwurf der Bundesregierung legt. Was die Bundesregierung hier vorgelegt hat, bleibt aber weit unterhalb dessen, was notwendig ist; denn sie hat dem
Druck der Lobbys nachgegeben.
Amokläufer verwenden Waffen, auf die sie direkt und unkompliziert zugreifen können. Seien es Amokläufe
oder auch Massaker in Familien – die Waffen sind nicht gestohlen, sondern gehören den Tätern oder ihren meist männlichen Verwandten. Deshalb setzt die Fraktion Die Linke an diesem Punkt an und fordert: Schusswaffen raus aus den Privathaushalten.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit entfällt nämlich eine unmittelbare Voraussetzung für Amokläufe. Das haben übrigens auch die Angehörigen in ihrem Forderungspaket aufgeführt, Herr Wolff.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Der Fall in Eislingen spricht aber genau dagegen, Frau Jelpke!)
Die Bundesregierung will es dagegen bei der alten Regelung belassen. Sie kündigt mehr Kontrollen an, um die sichere Lagerung von Waffen zu Hause zu prüfen. Hier stellt sich aber zunächst die Frage, woher die Kontrolleure eigentlich kommen sollen. Angesichts der 3 bis 5 Millionen Menschen, denen der Waffenbesitz erlaubt ist, handelt es sich doch um eine Mammutaufgabe.
Die Sachverständigen in der Anhörung am Montag hielten selbst Stichproben angesichts der Personalnot für
nicht durchführbar. Vor diesem Hintergrund ist diese Ankündigung ein Papiertiger und hat keine praktischen Folgen. Außerdem stellt sich die Frage, welche Befugnisse die Kontrolleure eigentlich haben sollen und ob die Unverletzlichkeit der Wohnung im Gesetz tatsächlich klar geregelt ist. Es gilt doch, Folgendes zu bedenken: Wenn ein Waffenbesitzer die Kontrolleure nicht freiwillig in seine Wohnung lassen will, aber in diesem Fall um seinen Waffenschein fürchten muss, ist es mit der Freiwilligkeit nicht weit her.
(Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Wofür sind Sie denn?)
Meine Damen und Herren, die Koalitionspläne enthalten durchaus Zustimmenswertes, etwa die Einführung
des längst überfälligen Waffenregisters. Insgesamt werden Sie aber dem Anspruch, Amokläufen wirklich vorzubeugen, in keiner Weise gerecht. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sind Sie für oder gegen Kontrolle?)
Im Übrigen vermissen wir den Blick über das Waffenrecht hinaus. Wir müssen auch die Frage stellen, was in
unserer Gesellschaft schief läuft, wenn junge Männer zu psychopathischen Mördern werden. Welche Rolle spielen Leistungsdruck in der Schule und im Arbeitsleben sowie falsche Erziehungsverläufe? Wo können psychologischeHilfestellungen verbessert und die Hemmschwellen zu ihrer Nutzung gesenkt werden? Auf diese Fragen werden mit diesem Gesetz keine Antworten gegeben. Wer sie nicht stellt, betreibt aber nur Symptompolitik.
(Beifall bei der LINKEN)
Es geht überhaupt nicht darum, Sportschützen unter Generalverdacht zu stellen. Das möchte ich hier ganz besonders betonen. Wir appellieren sogar an Schützenverbände und Sportvereine, konstruktiv an besseren Vorschlägen mitzuwirken, als sie uns die Regierung heute anbietet, um die Wiederholung solcher Amokläufe nach Möglichkeit auszuschließen. Dem dient unser Antrag. Ich sage es noch einmal: Schusswaffen raus aus Privathaushalten.
(Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU]: Wohin denn? Ins Waffenlager?)
Die Waffen raus aus den Wohnungen, sie an sicheren Orten unterbringen – wir haben lange darüber diskutiert – und damit den Zugriff für Unbefugte massiv erschweren! Wir wissen natürlich auch, dass wir auf diese Weise Amokläufen und Massakern nicht gänzlich den Weg abschneiden. Auf jeden Fall würde man damit aber dafür sorgen, dass Waffen nicht mehr so leicht zugänglich sind.
Ich möchte noch einmal sagen: Gerade die Angehörigen haben sehr deutlich erklärt, dass Familienangehörige
– vor allem Söhne, männliche Täter – genau wissen, wie sie an den Waffenschrank kommen, auch wenn diese in ein paar Jahren vielleicht biometrisch gesicherte Schlösser oder Ähnliches haben. Ich kann nicht einsehen, warum jemand im Haushalt Waffen haben sollte. Raus damit!
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)