Der Koalitionsvertrag der künftigen schwarz-gelben Bundesregierung trifft eine klare Aussage: Die FDP hat sich beim Thema Bürgerrechte den Konservativen gebeugt. Die endgültige Fassung des Vertrages, die am Montag abend von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und FDP-Chef Guido Westerwelle unterzeichnet wurde, knüpft nahtlos an das »Sicherheitsdenken« der Innenminister Otto Schily (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) an: Die BRD soll ein Überwachungsstaat werden. Sämtliche Schnüffelgesetze der großen Koalition bleiben unangestastet. Es bleibt auch bei der Zentralisierung der Sicherheitsbehörden und der eingeleiteten Aufhebung der Trennung von Geheimdiensten und Polizei. Das Gemeinsame Internet- und Terrorabwehrzentrum sowie die »Bundesabhörzentrale« in Köln, wo die Schnüffelmaßnahmen von Polizei und Geheimdiensten koordiniert werden, stehen ebenfalls nicht zur Disposition. Die FDP hatte all diese grundrechtsfeindlichen Entwicklungen im Wahlkampf angeprangert. Im September hatte die Partei sogar die bundesweite Bürgerrechtsdemo »Freiheit statt Angst« unterstützt. Nun gibt sie sich mit dem Versprechen einer Evaluierung zufrieden. Durchgeführt werden soll diese offensichtlich von der Bundesregierung selbst; von einer externen Überprüfung ist nicht die Rede.
Die FDP versucht, ihr Einknicken dadurch zu übertünchen, daß sie Regelungen zum Arbeitnehmerdatenschutz durchgesetzt hat. Es soll aber nicht, wie nach den Überwachungsskandalen bei Bahn, Lidl und Schlecker von Fachleuten gefordert, ein eigenes Gesetz dafür geben, sondern lediglich einen neuen Abschnitt im Bundesdatenschutzgesetz. Die allgemein gehaltenen Formulierungen im Koalitionsvertrag lassen keine Wende zu einem wirkungsvollen Datenschutz erkennen. Dagegen ist zu befürchten, daß die neue Koalition den angeblich drohenden »Cyber-Krieg« als Vorwand für weitere Eingriffe verwenden wird, wenn es heißt: »Wir werden ein besonderes Augenmerk auf die Abwehr von IT-Angriffen richten und hierfür Kompetenzen in der Bundesverwaltung bündeln.«
Auch bei den Themen Migration, Integration und Asyl hat sich die FDP in keinem Punkt gegen die Hardliner der Unionsparteien durchgesetzt. Es gibt keine effektiven Vereinbarungen zur Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lage von Migranten und keine Einbürgerungserleichterungen. Es wird auch künftig Kettenduldungen geben, das heißt, Zehntausende Flüchtlinge erhalten jahrelang stets aufs neue lediglich befristete Duldungen. Der obligatorische Deutschtest im Herkunftsland beim Ehegattennachzug wird ausdrücklich als »sinnvoll« bezeichnet. Die Diskriminierungen bei Versorgung und Unterbringung von Asylsuchenden werden ebenfalls lediglich evaluiert. Damit ist absehbar, daß sich beispielsweise beim Sachleistungsprinzip, das Flüchtlingen Bargeld verweigert und sie mit Gutscheinen abspeist, nichts ändern wird.
Ein kommunales Wahlrecht für Staatsangehörige aus Nicht-EU-Ländern wurde von der CDU/CSU verhindert. Auch beim Staatsbürgerschaftsrecht soll die Optionspflicht, die 18jährige zur Aufgabe einer ihrer beiden Staatsangehörigkeiten zwingt, lediglich »überprüft« werden.
Beim Zugang zum Arbeitsmarkt bleibt es bei der von Wirtschaftsinteressen gesteuerten Einwanderungspolitik nach dem Nützlichkeitsprinzip. Die FDP gibt ihre Forderungen nach einem Punktesystem sowie nach einem sofortigen Arbeitsmarktzugang für alle Flüchtlinge auf. Zur entscheidenden Rolle Deutschlands bei der mörderischen EU-Asylpolitik findet sich im Koalitionsvertrag kein Wort.