Der »Bund der Vertriebenen« (BdV) ist weiterhin nicht bereit, auf eine Nominierung seiner Präsidentin, der CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach, für den Rat der Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« zu verzichten. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte mit einem Veto der Regierung gegen eine Berufung Steinbachs gedroht, da diese eine untragbare Belastung für das deutsch-polnische Verhältnis sei.
In Polen erinnert man sich noch gut daran, daß Steinbach im Dezember 1991 im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als polnischer Westgrenze stimmte. Sie begründete ihr damaliges Votum mit der Aussage:«Man kann nicht für einen Vertrag stimmen, der einen Teil unserer Heimat abtrennt.«
Es gehe nicht um ihre Person, kritisiert Steinbach die »Bevormundung« durch Westerwelle, sondern um das Recht einer »Opferorganisation«, ihren Vertreter frei zu wählen. Steinbach ist 1943 als Kind von westdeutschen Besatzern in dem 1939 von Deutschland annektierten »Reichsgau Danzig-Westpreußen« zur Welt gekommen. In Polen gilt sie als Inbegriff einer revanchistischen Politikerin. Faschismus und der Vernichtungskrieg der Wehrmacht werden von Steinbach als Ursachen der von den alliierten Kriegssiegern beschlossenen zwangsweisen Umsiedlungen weitgehend ignoriert.
Nach Informationen des Magazins Focus hat die Bundesregierung dem BdV im Gegenzug für einen Verzicht Steinbachs mehr als die zustehenden drei Sitze im Stiftungsrat und eine Erhöhung der bislang im Bundeshaushalt veranschlagten 2,5 Millionen Euro für Personal und Ausstattung der Stiftung geboten. Auch ein Staatssekretärinnenposten in der CDU/CSU-FDP-Regierung sei Steinbach nach eigenen Aussagen gegenüber dem Magazin Cicero angeboten worden. »Wir lassen uns nicht kaufen. Es geht uns um die Sache, nicht ums Geld«, erklärte Steinbach gegenüber der Bild am Sonntag. Ihr Vize Albrecht Schläger (SPD) forderte am Montag ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zugunsten Steinbachs. Diese habe sich gegenüber dem BdV vor der Bundestagswahl schriftlich für Steinbach ausgesprochen.
Es sei ein großen Fehler gewesen, daß »sie diese Geschichte nicht in der Koalitionsvereinbarung angesprochen hat«. Und es verwundert, denn Merkel hat bislang keinen Hehl aus ihrer Sympathie für den BdV gemacht. Auf der 50-Jahr-Feier des Verbandes im Oktober 2007 trat sie als Festrednerin auf. Im März 2009 folgte sie bereits zum dritten Mal der Einladung zum Jahresempfang der Revanchistenorganisation – öfter als jeder andere Kanzler vor ihr, wie ihre Parteifreundin Steinbach lobend erwähnte.
Die Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« soll eine Dokumentationsstelle und Ausstellung im Berliner Deutschlandhaus aufbauen. Die Funktionäre des BdV sehen sich durch das Projekt ermutigt, ihre verzerrte Sicht der Geschichte auch offiziell absegnen zu lassen. »Der Bund der Vertriebenen geht mit der Legende hausieren, daß in der Nachkriegszeit das Schicksal der Vertriebenen verschwiegen und aus der Erinnerungskultur ausgeklammert worden sei«, kritisiert die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Luc Jochimsen. »Das Gegenteil ist richtig: Die Nachkriegszeit in der alten Bundesrepublik wurde dominiert von der revanchistischen Politik des Bundes der Vertriebenen.«