Zu den zentralen innenpolitischen Themen 2009 zählte die Forderung von vielen Nichtregierungsorganisationen und der Partei Die Linke nach einer sicheren Bleiberechtsregelung für Menschen, deren Anwesenheit in Deutschland seit vielen Jahren nur »geduldet« wird. 2007 hatten sich die Koalitionäre von CDU/CSU und SPD auf eine »Altfallregelung« im Aufenthaltsgesetz geeinigt. Alleinstehende, die zum Stichtag am 1. Juli 2007 mindestens acht Jahre in Deutschland waren sollten einen sicheren Status erhalten, wenn sie neben einer Reihe weiterer Bedingungen nachweisen konnten, daß sie eigenständig für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Für Familien galt die Regelung nach sechs Jahren. Da die Betroffenen in den meisten Fällen aber gar nicht arbeiten durften, dachten sich die Innenpolitiker der Koalition ein neues Konstrukt aus: die Aufenthaltserlaubnis »auf Probe«. Die sollten Menschen bekommen, die alle Bedingungen erfüllten, aber kein ausreichendes Einkommen vorweisen konnten. Das betraf immerhin 30000 Migranten, die in Angst vor dem erneuten Verlust der Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebung lebten.
Spätestens mit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise war klar, daß viele der »Geduldeten« keine Arbeit bekommen würden, die ihnen Unabhängigkeit von Sozialleistungen ermöglicht. Eine gesetzliche Neuregelung hätte die Folge sein müssen. Statt dessen reichte die neue Koalition von CDU/CSU und FDP die Entscheidung an die Innenministerkonferenz (IMK) weiter. Diese verlängerte die Duldungsregelung am 4. Dezember in Bremen um weitere zwei Jahre. In dieser Zeit wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessern. Im Gegenteil. Noch dazu ist wegen unklarer IMK-Vorgaben ein willkürlicher Vollzug in den einzelnen Bundesländern programmiert.
Problematisch ist die Situation vor allem für diejenigen, die kein oder nur ein geringfügiges Einkommen haben. Die IMK-Regelung sieht vor, daß ihnen eine Aufenthaltserlaubnis »auf Probe« erteilt werden »kann«. Bedingung ist der Nachweis, »daß sie sich um die Sicherung des Lebensunterhalts für sich und etwaige Familienangehörige durch eigene Erwerbstätigkeit bemüht haben, und wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß der Lebensunterhalt nach diesen zwei Jahren eigenständig durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gesichert sein wird«. Damit wird den Ausländerbehörden ein großer Ermessensspielraum gegeben, wem sie sicheren Aufenthalt gewähren oder wen sie in Duldung zurückfallen lassen. Nach welchen Kriterien hier geprüft werden soll, läßt der Beschluß völlig offen. Es ist auch keine Härtefallregelung für die Regionen vorgesehen, in denen die Wirtschaftslage so mies ist, daß jeder Erwerbslose eine schlechte Beschäftigungsprognose hat.
Pro Asyl hat diese Minimallösung kritisiert und betont, »die Hängepartie für die Betroffenen« gehe weiter. Alte, Kranke und Behinderte hätten keine Chance. Der Präses der Evangelischen Kirche Westfalen, Alfred Buß, sprach von einem »kleinen Schritt in die richtige Richtung«. Der »menschenunwürdige Schwebezustand« der Duldung werde jedoch in vielen Fällen verlängert. Er forderte ein Abschiebemoratorium für Flüchtlinge, die länger als fünf Jahre in Deutschland leben. Auch die Caritas erklärte, der IMK- Beschluß ersetze nicht die notwendige »dauerhafte gesetzliche Lösung«, die humanitären Kriterien entspreche und ohne Stichtage und strenge Ausschlußkriterien auskomme. Entsprechende Forderungen der Linksfraktion hatte der Bundestag regelmäßig abgelehnt.
Es ist nicht davon auszugehen, daß sich in zwei Jahren für die etwa 60000 oder mehr Langzeitgeduldeten, die nicht einmal eine Aufenthaltserlaubnis »auf Probe« haben, etwas zum Besseren ändern könnte. Es wird auch in zwei Jahren unzumutbar sein, Familien, die dann bereits seit mindestens zwölf einhalb Jahren in Deutschland leben, abzuschieben. Und alte, ausgegrenzte und kranke Menschen werden nach dem IMK-Beschluß auch künftig keine Chance auf ein Bleiberecht haben. Der Berliner Flüchtlingsrat befürchtet daher, daß manche Betroffene untertauchen werden, weil sie keine Arbeit gefunden haben.