Kann man alle Daten aller Menschen in der Bundesrepublik speichern?« Diese Frage stellte am Dienstag Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt und ließ damit ihre Skepsis gegenüber der Vorratsdatenspeicherung erkennen. Die Verfassungsklage gegen das Gesetz, das die Speicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten für sechs Monate vorsieht, wurde am Dienstag mündlich in Karlsruhe verhandelt. In einem gemeinsamen Statement bezeichneten die Kläger die Datenspeicherung am Vormittag als »Präzedenzfall für eine uferlose Registrierung des alltäglichen Verhaltens unschuldiger und ungefährlicher Bürger.«
Der FDP-Politiker Burkhard Hirsch äußerte, die »gesamte Bevölkerung als potentielle Rechtsbrecher zu betrachten und ihr Verhalten auf Vorrat registrieren zu lassen«, sei eines Rechtsstaates nicht würdig. Der Datenschutzexperte der Linksfraktion, Jan Korte, warnte, »mit diesem mächtigen Überwachungsinstrument« sei es möglich, »von allen Bewegungsprofile zu erstellen«. Die Grünen-Chefin Claudia Roth sieht mit dem Gesetz die Grenze zum Überwachungsstaat überschritten.
Nachdem die Verfassungsrichter mit Eilentscheidungen die Befugnisse der Ermittlungsbehörden zum Abrufen der Daten stark beschnitten hatten, herrscht selbst in den Reihen der Überwachungsbefürworter Skepsis. So erwartet Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), das Gericht werde an seiner bisherigen Linie festhalten und die Dateneinsicht nur bei Gefahr für Leib und Leben für zulässig halten. Da das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung auf einer EU-Richtlinie basiert, ist ein komplettes Verbot durch das Bundesverfassungsgericht unwahrscheinlich ist. Die Kläger hoffen darauf, daß die Richter das Gesetz dem Europäischen Gerichtshof vorlegen, »damit die Datensammelwut nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa gestoppt wird«, so Hirsch.
Unterdessen teilte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar gestern mit, bei Telekommunikationsunternehmen würden im Zweifelsfall »mehr Daten gespeichert, als es der Gesetzeswortlaut vorsieht«. Das betreffe auch Informationen »mit unmittelbarem Personenbezug« wie etwa das Datenvolumen bei Internetnutzung oder die Funkzellen bei mobilen Internetzugängen. Auch die Protokollierung von Zugriffen auf die Daten sei mangelhaft. Zudem seien zahlreiche Zugriffsersuchen der Behörden rechtswidrig. Weigerten sich die Anbieter, werde ihnen aber »oft die Beschlagnahme von Servern« angedroht, um eine Auskunft zu erzwingen.